Der magische Reiter reiter1
werden wollte.
Joy hatte sich auf ihr Pferd geschwungen und es die matschige »Hauptstraße« entlanggelenkt, die sich zwischen schäbigen Handelshäusern, einer Unmenge von Kaschemmen sowie einer nicht unerheblichen Anzahl von Bordellen dahinschlängelte. Um diese Nachmittagszeit herrschte hier Totenstille. Ein Großteil der Bevölkerung befand sich draußen in den Wäldern und fällte Bäume, damit die hungrigen Papiermühlen gefüttert werden konnten. Doch schon bald, wenn die Sonne unterging, würde die Stadt von Lärm, Licht und Leben erfüllt sein.
Wenn man später im Jahr den Fluss durchwaten konnte, zogen die meisten Grünen Reiter es vor, sich in einem großen Bogen durch die Wildnis zu schlagen, statt mitten durch Norden zu reiten. Wenn die Zeit drängte, galoppierten sie einfach durch die Stadt hindurch. Leider machte Joys Mission es erforderlich, dass sie im Ort selbst Erkundigungen einzog. Und für ihren Geschmack hatte sie dieser Pflicht schon mehr als Genüge getan. Die Menschen hier waren unglaublich feindselig.
Sie tätschelte den Hals von Rotschwinge. »Wir werden
eine friedliche Nacht in unserer Herberge verbringen und anschließend so viele Meilen wie möglich zwischen uns und diesen Sündenpfuhl legen.«
Rotschwinge hob wie zum Einverständnis den Kopf. Sie ritten im Schritt durch die Stadt nach Süden. Joy wollte den Einheimischen nicht die Genugtuung geben, sie fliehen zu sehen.
Überhaupt war das ein seltsamer Auftrag, mit dem man sie losgeschickt hatte. Nach F’ryans Pferd zu suchen, das vielleicht noch die Botschaft trug, erschien ihr nicht einmal so seltsam. Aber nach dem Mädchen? Jemand musste gute Beziehungen zu Hauptmann Mebstone haben, und dieser Jemand hatte sie zu nutzen gewusst. Es war gar nicht die Art des Hauptmanns, ihre Boten mit Angelegenheiten zu beauftragen, die nichts mit dem Reiterdienst zu tun hatten.
Connli hatte ihr ein erstklassiges Bild des Mädchens übermittelt. Wer auch immer auf der Suche nach ihr war, musste sie während der Übertragung beschrieben haben. Das Mädchen war fast zwanzig, eigentlich schon eine junge Frau, und hatte ein ausgeprägtes Gesicht, war groß und gut gekleidet. Eine Adlige? Davon hatte Connli nichts gesagt.
Joy lächelte. Jeder Kontakt mit Connli war wie eine sanfte Liebkosung ihres Geistes. Jede Nacht vereinigten sie sich auf diese intime Weise, ihrer beider Geist berührte sich, tauschte Worte und Bilder aus. Es half, ihre Trennung erträglicher zu machen, obwohl es kein Ersatz dafür sein konnte, zusammen zu sein.
Sie führte Rotschwinge um eine Ansammlung von Königshassern herum, wie sie diese Leute insgeheim nannte. Die Anti-Monarchie-Gesellschaft war einfach ein entsetzlicher Haufen. Sie verbreiteten böse Gerüchte über König Zacharias,
und die Bewohner von Norden griffen ihre Parolen nur zu bereitwillig auf.
»Du bist eine Sklavin, Schwester!«, rief ihr einer von ihnen zu. »Nur ein Land ohne König ist ein freies Land. Monarchie ist Tyrannei.«
Joy trieb Rotschwinge zum Kanter, bevor die Königshasser sie weiter mit Schlagworten bombardieren konnten. »Ich hätte nicht diesen Beruf, wenn ich nicht an meinen König glauben würde«, sagte sie zu ihrem Pferd. »Ich bin keine Sklavin.«
Als Joy die Stadt verlassen hatte, atmete sie erst einmal vor Erleichterung tief durch und ließ Rotschwinge wieder im Schritt gehen. Sie spürte, wie ihre Muskeln sich entkrampften, als die Anspannung von ihr wich. Bis auf das Zirpen der Grillen in den länger werdenden Schatten war es auf der Straße still. Lediglich ein weiterer Reiter, der der Stadt zustrebte, kam ihr entgegen. Er war ganz in Grau gekleidet und ritt lässig im Schritt. Rotschwinge legte eng die Ohren an.
»Was hast du?«, fragte Joy.
Rotschwinge schnaubte und tänzelte zur Seite, als der Reiter auf gleicher Höhe mit ihnen war. Der Mann trug Mantel und Kapuze, und mehr hätte Joy nicht zu sagen vermocht, außer dass unter der Kapuze eine goldene Haarsträhne hervorlugte. Er zügelte sein Pferd.
Joy nickte ihm zu und ritt vorbei. Er sprach sie nicht an oder gab sonstwie zu erkennen, dass er sie wahrnahm, und sie war froh darüber. Er hatte etwas an sich, was bei ihr ein Kribbeln im Nacken verursachte. Sie warf einen Blick über die Schulter, um zu sehen, ob er weitergeritten war. Er war es nicht. Er folgte ihr.
Er zog einen schwarzen Pfeil aus seinem Köcher und setzte ihn auf die Sehne.
»Oh, ihr Götter«, flüsterte sie. Connli hatte ihr mitgeteilt, wie
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