Der magische Reiter reiter1
F’ryan gestorben war. Durch zwei schwarze Pfeile im Rücken.
Sie brauchte Rotschwinge nur zu berühren, und schon schoss er in gestrecktem Galopp davon. Sie lenkte ihn von der Straße herunter, tief in den Sattel gekauert. Doch sie konnte sich nirgends verstecken. Der Wald war abgeholzt.
Rotschwinge griff weit aus und preschte eine Böschung hinunter auf einen schlammigen Tümpel zu, an dessen Ufer mehrere Bäume standen. In dem kleinen Hain wären Pfeil und Bogen so gut wie nutzlos. Das Pferd des grauen Reiters donnerte hinterher, und sein Hufschlag klang wie ein Echo von Rotschwinges Hufen. Trotz des unsicheren Bodens setzte der graue Reiter über Baumstümpfe und schlüpfrigen Granit hinweg und ritt schließlich auf gleicher Höhe mit ihr.
Er ließ die Zügel los und lenkte sein Pferd nur mit den Beinen. Er spannte den Bogen, und ein Pfeil sirrte heran.
Rotschwinge taumelte unter Joy und kippte nach vorn, so dass sie den Halt verlor. Sie rollte sich ab, während ihr Pferd kopfüber stürzte und sein Wiehern die Luft zerriss. Wild trat es mit den Hufen um sich, dann rührte es sich nicht mehr. Staub senkte sich über die Stelle herab, an der es tot dalag, einen Pfeil im Hals.
Joy warf sich hinter das Pferd, das Gesicht tränenüberströmt, und der Kummer schnürte ihr die Kehle zu. Ihr Bein war in einem seltsamen Winkel verdreht, und ihr Oberschenkelknochen ragte aus zerfetzten Muskeln und Haut wie das Elfenbeinhorn eines Stiers. Sie spürte es nicht, doch die Dunkelheit lauerte an den Rändern ihres Bewusstseins. Sie zog ihren Säbel, obwohl er ihr gegen Pfeile nichts helfen würde.
Der graue Reiter saß ruhig und schweigend auf seinem Pferd. Er setzte einen weiteren Pfeil auf die Sehne und zielte auf sie. Sie hörte ihn unter der Kapuze flüstern, als spräche er eine Beschwörungsformel. Vielleicht rief er auch nur die Götter an.
Schmerz explodierte in Joys Brust. »Connli«, krächzte sie. Ein Schleier legte sich über die Welt ringsum, und sie spürte, wie das Leben aus ihr wich und Dunkelheit sich in ihrer Brust ausbreitete wie eine Krankheit.
Der graue Reiter zeichnete sich als bloßer Schattenriss vor dem etwas helleren Hintergrund ab. Er zog einen weiteren Pfeil aus dem Köcher und setzte ihn auf die Sehne.
Sie griff an ihre Wunde, und Blut sprudelte hervor, als wolle es ihre Hände wie Tassen füllen. »Warum?« Das Wort war nicht mehr als ein Hauch.
Der graue Reiter spannte den Bogen. »Du wirst mir dienen. «
Seine Stimme, dachte sie, war melodisch.
Er ließ den Pfeil los.
Joy glaubte zum Nachthimmel hinaufzuschauen, der dort, wo die Götter sie erwarteten, mit den gleißenden Punkten der Sterne übersät war. Sie trieb davon; wurde nach oben gezogen. Irgendwo über ihr schlugen gewaltige Schwingen – das war Westrion, der herbeikam, um ihre Seele in den Himmel zu holen. Alle Bangigkeit fiel von ihr ab, als sie leicht und körperlos emporschwebte.
Dann, als greife eine Hand in ihre Brust und umklammere ihr Herz, spürte sie wieder allenthalben Schmerz und Kälte. Sie wurde zur Erde hinabgezogen, gegen die Kräfte des Himmels.
Nein!, schrie sie. Westrion!
Ein wütendes Kreischen war die Antwort. Der Flügelschlag entfernte sich und verschwand.
»Du wirst mir dienen«, sagte die melodische Stimme.
Joy war mit dem Boden verwurzelt. Sie blickte himmelwärts, doch die sternklare Nacht war dahin, und die Luft wirkte neblig trüb und grau. Leblos. Die Pfeile ragten wie Stachelschweinborsten aus ihrer Brust, und als sie versuchte, sie herauszuziehen, brachte das nur neuerlichen Schmerz.
»Sie zeigen an, dass du mir gehörst. Betrachte sie als deinen Kragen, Sklavin.« Der graue Reiter saß noch immer auf seinem Pferd, doch er war nicht länger grau. Mantel und Kapuze schimmerten in den Farben des Regenbogens, und es sah beinahe so aus, als säße er auf Luft, denn sein Pferd verschmolz mit der grauen, leblosen Welt.
Ihre Leiche lag, wie der Kadaver von Rotschwinge, unwirklich und geisterhaft da. Ihr Körper war verrenkt und zerschmettert, ihr Blut hatte Hemd und Mantel mit Dunkelheit getränkt. Aus ihrer Sicht war dieses Blut nicht rot. Lediglich die Brosche mit dem geflügelten Pferd besaß überhaupt Farbe. Sie erstrahlte in kaltem, goldenem Glanz. Sie griff danach, doch ihre Hand glitt durch ihren Körper hindurch.
Sie blickte auf ihre Hände. Sie hatten die Farbe von Fleisch, sie ließen sich zur Faust ballen und wieder öffnen. Sie wirkten lebendig. So fühlte es sich also an,
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