Der magische Wald
bleiben heute hier. Die Pferde können eine Pause gebrauchen.« »Die Pferde«, wiederholte sie mit einem boshaften Lächeln. »Natürlich.« »Ach, halt den Mund«, flüsterte er schwach. Zum Frühstück gab es Brot mit Honig, eine Mahlzeit, die sogar Cat mundete. Nennian wendete sich kurz ab, um seine Speise zu segnen, während Cat das Essen sofort hinunterschlang. Michael versuchte, sein Frühstück etwas gesitteter zu sich zu nehmen, aber auch er war schon lange fertig, als der Bruder immer noch kaute. Nennian holte ihnen wortlos noch mehr frisches Brot und füllte ihre Krüge erneut mit schäumender Buttermilch. Der Geschmack der Milch rief Erinnerungen an die Frühstücke am warmen Herd in Antrim hervor, bei denen Farmarbeiter kamen und gingen. Aber das war weit entfernt, wie etwas, das man durch ein trübes Fenster sieht. »Ich war so frei, mir dein Schwert anzusehen, während du geschlafen hast«, sagte Nennian mit vollem Mund. »Weshalb?« »Die Rand der Klinge ist blau angelaufen. Sie muß abgeschreckt werden. Das Eisen wird weich.« »So?« »Ich werde das für dich erledigen. Ich habe hier eine ordentliche Schmiede und kann ein gutes Feuer anblasen.« Michael untersuchte das Ulfberht. Die feinen Linien, die das Streifenschmieden hinterlassen hatte, tanzten wie ein Wasserstrudel auf der Klinge. Er hatte vor langer Zeit über dieses Verfahren gelesen. Eisenstäbe werden zusammengeschmiedet und immer wieder erhitzt, um dem Metall möglichst viel Kohlenstoff zu entziehen und es hart wie Stahl zu machen. Aber das Metall muß ab und zu abgeschreckt werden, damit es nicht weich wird. »In Ordnung«, sagte er. Cat wollte mit der Schmiede nichts zu tun haben und schlenderte statt dessen über die Lichtung und sprach zu den Tieren. Michael dagegen half dem heiligen Mann, ein Holzkohlenfeuer anzufachen. Dann schichtete Nennian eine halbe Stunde lang feuchten Lehm aufeinander — nach dem nächtlichen Regen war daran kein Mangel —, bis er einen Hügel bildete, der so hoch war, wie die Schwertklinge lang. »Die Scharte hier kann ich ausbessern, und die Klinge ist insgesamt nicht mehr ganz richtig ausbalanciert. Diese Waffe hat einiges hinter sich.« Prüfend fuhr er mit dem Daumen über die Schneide. Für einen Augenblick verschwand der Priester in ihm hinter dem Handwerker. Er trug eine Lederschürze über seiner Kutte, und sein Gesicht glühte von der Arbeit im Freien. Er hatte rote Wangen wie der Weihnachtsmann. »Es war die Waffe eines Ritters. Ich habe ihn getötet«, sagte Michael. Er hatte das Versteckspiel satt. »Ich weiß.« Nennian legte die Klinge in die glühende Kohle, und Michael betätigte den primitiven Blasebalg. In dem Steinofen begann eine rot-weiße Sonne zu glühen, undMichael standbaldder Schweißauf der Stirn. Die Hitze drang durch seinen Wams. Cat sang irgendwo auf der Lichtung ein Lied. Die Kohlen hatten sich in eine weiße Glut verwandelt. »Genug.« Nennian zog die Klinge aus der Glut und legte sie auf seinen Felsamboß. Dann griff er zu einem überraschend kleinen Bronzehammer und begann vorsichtig zu klopfen, das Gesicht dicht über dem glühenden Klingenrand. Funken stoben auf, aber er kümmerte sich nicht darum. Er kniff die Augen zusammen und betrachtete sein Werkstück abschätzend. Sein Gesicht war schweißnaß. Schließlich schob er die Klinge wieder in die Glut und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Michael betätigte wieder den Blasebalg. »Woher wußtest du es?« Der Bruder lächelte — sein normaler Gesichtsausdruck, wie Michael mittlerweile fand. »Niemand außer den Rittern und ein paar Adligen führt eine so prächtige Waffe. Ulfberht ist schon seit einer Generation tot. Diese Waffen sind Erbstücke geworden, die nur vom Vater auf den Sohn übergehen. Ich könnte dir vielleicht drei Familien nennen, die im Besitz einer solchen Waffe sind.« »Es scheint dich nicht sonderlich zu stören, daß ich einen Ritter deiner Kirche getötet habe.« »Blutvergießen stört mich immer, aber du scheinst mir kein Mörder zu sein. Unsere Ritter sind manchmal übereifrig. Du und deine Lady, ihr seht aus wie Leute, die bei den Stämmen gelebt haben. Ich habe den Verdacht, daß ihr in eine Auseinandersetzung hineingezogen worden seid, die nicht eure eigene war.« »Da könntest du recht haben«, gab Michael zu. Wieder wurde das Schwert aus der Glut gezogen, und diesmal stieß Bruder Nennian die Klinge in den Lehmhügel, den er aufgehäuft hatte. Es zischte und blubberte, und eine
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