Der magische Wald
Nacht in der verräucherten Hütte, eine Mahlzeit aus den Resten des Ziegeneintopfs. Als Michael am nächsten Morgen erwachte, fiel strahlender Sonnenschein durch die rechteckigen Fensterluken in seine vom Schlaf verklebten Augen. Cat lag in seinen Armen. Er blies ein Staubkörnchen aus ihrer Wimper, sah es durch das Sonnenlicht fallen und lächelte in diesem Augenblick einfachen Glücks. Es war kalt und frostig. Er stand auf, streckte sich und sah hinaus. Der Schlamm auf der Lichtung war hart gefroren, die Pfützen vereist, obwohl das Eis an den Stellen, wo die Sonne darauf schien, nur noch hauchdünn war. Es war immer noch neblig, aber es war ein dünner, durchsichtiger Nebel. Er zog sich in ein paar Metern Höhe in langen Bahnen durch den Wald, wobei die Baumwipfel sich kristallklar vor dem blaßblauen Himmel abzeichneten. Er sah, wie sich am Fluß am anderen Ende des Tals ein Reiher in die Lüfte erhob. Bruder Nennian sprach mit seiner ruhigen Stimme zu den Ziegen. Seine Worten klangen glockenhell durch die Stille. Nach einer Weile kam er zur Hütte. Er zog ein Tier, das aussah wie ein großer Esel, an einer Leine hinter sich her und trug einen Korb. »Frühstückseier«, sagte er grinsend. Ein paar Stunden später brachen sie auf, den Bauch voll warmen Essens und Sonnenschein im Gesicht. Nach einer Stunde veränderte sich der Wald wieder, die Sonne wurde von Baumwipfeln verdeckt. Michaels Stimmung sank, als das Morgenlicht verschwand und der Waldboden wieder kahl und düster wurde. Er hatte das Gefühl, durch eine endlose Höhle zu reiten, die tiefer und tiefer in den Wald hinein führte, ein Tunnel ohne Ende. Zahlreiche Proviantbeutel hingen an ihren Sätteln. Brot, Honig, Käse, geräuchertes Fleisch und getrocknetes Gemüse ebenso wie Schläuche mit dem gesegneten Wasser, das Cat nicht trinken konnte. Auch ein Beutel mit dem würzigen Tabak des Bruders fehlte nicht. Von Nennians Esel, einem geduldigen, fliegenumschwärmten Tier, ging ein ständiges Geklapper aus, das Michael ärgerte. Ein Kupferkessel und verschiedene Gerätschaften aus Bronze hingen am Sattelknopf des Tiers. Bruder Nennian sah aus wie ein reisender Händler. »Was ist mit den Tieren?« hatte Cat ihn kühl gefragt, als sie die sonnige Lichtung verlassen hatten. Nennian hatte das Gatter zu dem Ziegenpferch geöffnet, bevor sie aufgebrochen waren. »Sie werden herumstreunen, doch es gibt gutes Gras im Tal, und die meisten von ihnen sind schlau genug, um nicht weit in den Wald zu laufen. Der Ziegenbock wird dafür sorgen, daß sie zusammenbleiben, und an ein paar Stellen habe ich Gerstenkörner ausgestreut. Die Hühner können für sich selbst sorgen.« »Du wirst es nicht leicht haben, wenn du zurückkommst«, sagte sie zu ihm. »Jeder muß Opfer bringen.« Sie waren wieder unterwegs. Der Rhythmus ihrer Wanderung holte sie schnell wieder ein, so als hätten sie nie in Bruder Nennians Anwesen Rast gemacht. Sie waren von der direkten Route abgewichen, um zu seiner Lichtung zu gelangen, und jetzt übernahm der rundliche Bruder die Führung. Er führte sie wieder auf den Pfad nach Süden, aber soweit Michael es feststellen konnte, wich er nach einer Weile in süd-östliche Richtung ab. Schon nach einem Tag war Michael zur Orientierung auf Vermutungen und die paar Sterne angewiesen, die er erspähen konnte, der Priester aber führte sie unbeirrt weiter, als sei der Sitz des Schwarzen Reiters ein Leuchtfeuer, das deutlich vor ihm steht. Kleinigkeiten gingen Michael auf die Nerven. Er konnte in Nennians Gegenwart nicht unbefangen mit Cat umgehen, und sie konnten sich zu seiner Enttäuschung nicht nachts neben dem Feuer lieben. Morgens mußten sie auf den Priester warten, wenn dieser sich abwandte und sein Gebet verrichtete. Michael war diese Zeremonie merkwürdig fremd, als sei sie ein Relikt aus einer Zeit, die weit hinter ihm lag. Doch immerhin war noch genug Frömmigkeit in ihm, um Cats Proteste abzuwehren und den Priester ungestört beten zu lassen, auch wenn es sie Zeit kostete. Er und Nennian hatten genug zu essen, aber Cat bestand aus irgendeinem Grund -wahrscheinlich Trotz -darauf, ihr eigenes Essen zu suchen, und sie warfen skeptische Blicke auf die Wurzeln und abgehäuteten Frösche, von denen sie sich ernährte. Nur den Honig verschmähte sie nicht und schlang genießerisch dick bestrichene Brote herunter, während sie alles andere ablehnte. Das Wasser im Wald trank sie unbekümmert. Es war, als hätten die Bäume sie wieder in ihren Bann
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