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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
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Wasser würde ernähren können, wenn er sich dem Wald ergeben würde; doch er zog es vor, so lange wie möglich von Nennians Vorräten zu leben und einen unabhängigen Verstand zu behalten. Der Priester beendete sein Gebet und kam wieder zu ihnen. Er zitterte, als er sich setzte, doch sein Gesicht war ruhig und unbewegt. Nicht ein einziges Mal schien er über den Weg, den sie einzuschlagen hatten, unsicher zu sein, nicht einmal in den tiefsten Sümpfen und an den finstersten Stellen des Waldes. Es war, als habe er einen inneren Kompaß, der untrüglich die Richtung auf ihr Ziel wies. Michael kam langsam an den Punkt, an dem es ihm egal war, ob sie ihr Ziel erreichten oder nicht, wenn sie nur bald zu sauberen Betten und vernünftigem Essen zurückkehren konnten. »Wie weit noch?« fragte er Nennian. Er hatte ihm diese Frage in den letzten Tagen schon oft gestellt. Der Zufluchtsort des Priesters lag fast zwei Wochen hinter ihnen, doch es gab noch kein Anzeichen für eine Veränderung im Wald. Der Gesichtsausdruck des Bruders war in dem dämmrigen Licht schwer zu erkennen, aber Michael bemerkte die Unsicherheit in seiner Stimme. »Weiter als ich dachte. Als ich es das letzte Mal versucht habe, war ich nach einer Woche in Sichtweite des Schlosses. Wir sind auf dem richtigen Weg. Ich kann mich unmöglich irren. Ich spüre die Macht dieses Ortes wie das Licht einer schwarzen Sonne auf meinem Gesicht. Aber er scheint zurückzuweichen, oder der Wald wird größer, während wir ihn durchwandern ... ich weiß es nicht.« Er klang müde und verwirrt. Von seinem ständigen Lächeln war nicht viel geblieben. Cat schnaubte verächtlich. »Folgen wir hier einem Irrlicht in einer braunen Kutte, oder unternimmt er mit uns eine Rundreise durch den Wolfswald?« »Cat«, sagte Michael warnend, aber er war zu deprimiert durch Nennians Unsicherheit, um sich mit ihr zu streiten. Die ganze Zeit über hatte er sich selbst gesagt, daß es nicht mehr weit war, daß sie fast am Ziel waren. Jetzt konnten sie genauso gut noch tausend Meilen vor sich haben. Er hätte vor Enttäuschung und Verzweiflung heulen können. »Es war besser, als wir noch allein waren. Wir sind besser vorangekommen, und der Wald hat sich kaum um uns gekümmert. Seit er bei uns ist, beobachtet der Wald uns. Kannst du es nicht spüren?« Michael hatte das gleiche Gefühl. Es war ein stummes Betrachten, ein augenloses Starren, das ihn die Schulterblätter hochziehen ließ, als erwartete er einen Schlag. In der Luft des Wolfswaldes lag etwas, das es schwer machte, sie einzuatmen, das Gegenteil der dünnen Luft eines Hochgebirges. Schwere, abweisende, machtgeladene Luft. »Ich spüre nichts«, sagte Nennian. »Ich lebe seit einem Dutzend Jahren in dieser Gegend, und ich habe nie so etwas gespürt. Der Wolfswald kennt mich, und ich kenne ihn.« »Du bist ein Narr«, sagte Cat verächtlich, und Michael sah, wie Verärgerung sich im Gesicht des Priesters breitmachte. »Hört auf«, sagte er. Ihre Streitereien gingen ihm auf die Nerven. »Wie lange werden unsere Vorräte noch reichen?« Er richtete die Frage an Nennian, der zusammengesunken dasaß und in seiner Kutte wie ein moosüberwachsener Fels wirkte. »Wir haben noch Wasser für zwei, vielleicht drei Tage. Und Essen für vier Tage.«

    »Pilze und Tümpelwasser«, lachte Cat. »Bald wirst du es herunterschlingen, wenn du nicht auf deinen Sandalen herumkauen willst.« »Halt den Mund«, zischte Michael. Sein giftiger Tonfall überraschte seine Begleiter. »Keine Streiterei mehr. Wir werden das Wasser des Waldes abkochen, sobald wir ein Feuer machen können, und essen, was wir finden. Wenn es sein muß, Käfer. Aber wir gehen weiter, selbst wenn das bedeutet, daß wir bis zu den großen Bergen im Süden ziehen müssen, die angeblich das Ende der Welt sind. Jeder Wald hört einmal auf, und wir werden nicht aufgeben, selbst wenn wir unsere Pferde fressen müssen und uns die Füße blutig laufen.« Sein Ausbruch brachte seine Gefährten zum Schweigen. Cat drehte ihm in dieser Nacht schroff den Rücken zu, aber es war ihm egal. Er konnte spüren, wie die Ranken und Wurzeln des Waldes sich durch ihn zogen, seinen Willen erobern wollten. Der Versuch, sich dagegen zu wehren, war genauso anstrengend wie die endlose Reise. Der Wald raunte ihm zu, daß er den Bruder verlassen sollte, ihn hier im Stich lassen sollte, wo die Bäume sich um ihn kümmern konnten. Er drängte ihn, ohne eine bestimmte Richtung weiter zu gehen, den Einfluß

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