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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
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sie bei weitem nicht so besorgt wie Michael oder Bruder Nennian. Gleichgültig kaute sie auf einem Pilz, und für einen Moment haßte Michael sie dafür, daß sie ihre Angst nicht teilte.

    Sie schliefen nur wenig in dieser Nacht, erholten sich kaum, obwohl im Wald Grabesstille herrschte. Ohne besondere Ereignisse ging ihre Reise weiter, und die Vorräte schmolzen dahin. Als das Wasser zur Neige ging, kochten sie die widerliche Brüheder Bächeab, undals siekeine Nahrung mehr hatten, fing Cat ihnen kleine Tiere. Nennian weigerte sich zunächst, davon zu essen, und sogar Michaels abgehärteter Magen krampfte sich beim Anblick der Kadaver von Mäusen, Schlangen und Molchen zusammen, aber sie wurden mit jedem Hungertag appetitlicher, und Ziegeneintopf, Buttermilch und Honig wurden ein Traum, ein heller Glanz in Michaels Erinnerung. Sein Bauchumfang schrumpfte, und er konnte förmlich spüren, wie er unweigerlich abmagerte. Nennians Gesicht sah immer mehr wie das eines Totenschädels aus. Nur Cat ging es weiterhin gut, obwohl auch sie sehniger wurde und ihre Fingerknöchel deutlicher hervortraten. Den Pferden fiel es zunehmend schwer, ihre Reiter zu tragen, und schließlich führten sie die Tiere am Zügel hinter sich her. Nur Nennians Esel war noch in einem besseren Zustand, da er Baumrinde besser vertrug als Fancy oder der Graue. Nennian übernahm mit dem Esel jeden Morgen die Spitze, führte sie über felsige Abhänge, die trotzdem dicht von den verkümmerten Bäumen bewachsen waren, oder durch schwarze Sümpfe, die sich zwischen den Hügeln erstreckten. Sechsundzwanzig Tage, nachdem sie mit Nennian aufgebrochen waren, fing es wieder an zu regnen. Der Regen prasselte durch die Bäume und verwandelte den Boden in Schlamm. Sie stampften hindurch, den Blick auf den Schwanz des Pferdes vor ihnen gerichtet; manchmal mußten sie sich sogar daran klammern, um in dem zähen Schlamm weiterzukommen. Oft mußten sie mit vereinten Kräften eines der Pferde aus dem sumpfigen Boden befreien, indem sie die Hufe aus dem Schlamm zogen und das arme Tier mit Schlägen vorwärts trieben. Sie rutschten und schlitterten, stürzten oft, und waren bald von Kopf bis Fuß mit dem schwarzen, teerähnlichen Schlamm bedeckt, während der Regen unaufhörlich niederprasselte. Für Michael wurde diese Reise zu einem Alptraum, zu etwas, das einfach nicht in Wirklichkeit sein konnte. Er war so müde, daß sogar die Strapazen, die er täglich zu erleiden hatte, nicht an ihn herankamen. Sein Bedürfnis auszuruhen, die Augen zu schließen, richtig zu schlafen, überlagerte alles andere. Die Müdigkeit wurde zu einem physischen Schmerz, und er mußte alle Kraft zusammennehmen, um nicht laut Geräuschen, dem Prasseln im Laubdach und dem Gluckern der Rinnsale auf dem Boden. Wasser fiel ihm ins Gesicht, tropfte von der Nase, lief ihm in die Augen. Er öffnete den Mund und versuchte, davon zu trinken, aber es war so widerlich wie das Wasser der Bäche, weil es den Geschmack der Blätter mitbrachte, von denen es heruntertropfte. Er verzog das Gesicht und spuckte die Brühe wieder aus. Nennian hatte vor einem anscheinend undurchdringlichen Dickicht angehalten. DerPriesterbeugtesichvornüberund stützte schwer atmend die Hände auf die Knie. Michael taumelte zu ihm, während Cat ihm folgte, den Grauen hinter sich her ziehend. Das schwarze Haar, das in ihrem Gesicht klebte, gab ihr ein wildes Aussehen.

    »Wir können nicht weiter«, keuchte der Bruder. Das Prasseln des Regens übertönte beinahe seine Worte. »Wir müssen anhalten, ausruhen.« »Wir können hier nirgendwo ausruhen. Der Boden ist zu naß. Es geht nicht. Wir müssen einen höher gelegenen Ort finden«, hörte Michael sich sagen, obwohl er selbst sich nach einer Pause sehnte, einer Unterbrechung dieser schrecklichen Strapaze. »Ich kann ... ich kann nicht mehr. Herr im Himmel ...« Noch während sie da standen, flossen die Pfützen auf dem Schlamm ineinander, wurden zu einem einzigen See. Der Boden schien sich unter ihren Füßen zu verflüssigen, saugte an ihren Beinen. Michael hatte noch nie in seinem Leben einen solchen Regen erlebt. Er war betäubend, wie ein Trommelfeuer. Schon fielen Zweige von den Bäumen und trieben über das Wasser, und durch das Prasseln des Regens hörten sie das Brechen der schwächeren Äste. Sturzbäche schossen von felsigen Hügeln, und das Wasser stieg immer höher. »Michael!« Es war Cat, sie riß ihn am Arm. »Die Bäume! Sieh dir die Bäume an!« »Was ist

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