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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
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versuchte er, sich dem Holz zu entwinden. Cat hatte geschrien, als sie sein Gesicht erblickt hatte, aber jetzt ignorierten sie es. Der stämmige Priester hatte das Schicksal seiner Glaubensgenossen teilen müssen. Vielleicht erzählten sie sich in irgendeiner ›Baum-Hölle‹ gegenseitig Geschichten. Müdigkeit umfing sie wie eine benebelnde Droge, und doch konnten sie nicht schlafen. Michael wußte, daß sie an das Ende ihres Weges gelangt waren. Er hatte genug. Sie hatten nicht mehr die Kraft, weiterzugehen. Er war sich nicht einmal sicher, daß sie genug Kraft hatten, den Weg zurück zu bewältigen. Er würde Rose hier zurücklassen; sie im Stich lassen. Er konnte nicht anders. Diese Erkenntnis war bitter, hatte den Beigeschmack des Versagens. Cat wußte es auch, aber er glaubte nicht, daß sie sich bewußt war, daß er nach Hause gehen würde. Irgendwie würde er nach Hause finden, und wenn er sie dazu zurücklassen mußte. Im Moment wollte er um jeden Preis wieder ein Junge sein, unversehrt und ohne Angst vor der Dunkelheit. Er fragte sich nur, ob das überhaupt möglich war.. Cat wälzte sich stöhnend neben ihm, und sogar in dem unstet flackernden Licht des Feuers sah er, daß der Verband an ihrem Schlüsselbein sich durch das sickernde Blut weiter verdunkelt hatte. Er hätte bei ihrem Anblick weinen können, ausgezehrt und zerschunden wie sie da lag, doch die Tränen brannten nur in seinen Augen, flossen aber nicht. Er würde sie beide betrügen, sie und Rose zurücklassen. Sein Ausflug war vollständig gescheitert. Am Morgen standen sie schweigend auf, steif wie Marionetten. Es war hell im Wald. Das Laubdach war dünner geworden, und schwaches Sonnenlicht fiel durch die Zweige. Cat brach einen Ast ab, den Michael als Krücke verwenden konnte, und langsam gingen sie in nördliche Richtung, ließen Nennians schreiendes Gesicht in dem Baum hinter sich zurück. Dann hatten sie Glück. Sie fanden eine Spur im Laub, die nur von den Pferden stammen konnte, und daneben einzelne Ausrüstungsgegenstände und Bestandteile des Zaumzeugs. Am Nachmittag stießen sie auf ihre drei widerspenstigen Reittiere, die mit verrutschten Sätteln schlammbespritzt und mit zitternden Flanken auf einer Lichtung standen. Sie ritten sie an den nächsten Tagen immer nur für ein paar Stunden, schonten die Kräfte der beiden Pferde ebenso wie ihre eigenen, und kamen gut voran. Nach einer Woche waren ihre leichteren Wunden gut verheilt, und sie wurden gesund genug, um der abscheulichen Waldnahrung überdrüssig zu werden, die sie zu sich nahmen, um nicht zu verhungern. Als der Kampfplatz zehn Tage hinter ihnen lag, faßten sie einen Entschluß und schlachteten den Esel des Priesters. Sie beluden die anderen beiden Tiere mit dem blutigen Proviant und aßen abends einen Portion des zähen Fleisches. Fancy und der Graue waren zu erschöpft, um vor dem Blutgeruch zu scheuen, und so trotteten sie von diesem Zeitpunkt an mit dem zerstückelten Körper ihres Kameraden an den Flanken weiter. Das Fleisch verlieh Michael und Cat neue Kräfte. Obwohl es sehnig und zäh war, war es das reichhaltigste Essen, das sie bekommen hatten, seit sie von Nennians Ziegeneintopf und Honig gegessen hatten. Sie stopften sich morgens und abends damit voll, und schon bald konnte Cat den ganzen Tag über neben dem Grauen herlaufen, während Michael wegen seines aufgerissenen Schenkels die meiste Zeit im Sattel verbrachte. Die Tage vergingen. Der Wald ließ sie in Ruhe, und in endlosen Reihen zogen die mächtigen Bäume des Wolfswalds an ihnen vorüber. Zwei Wochen nach Nennians Tod erreichten sie sein Anwesen auf der Lichtung und hatten damit fast die Hälfte ihres Rückweges aus dem Wolfswald geschafft. Es war, als wollte der Wald sie so schnell wie möglich loswerden. An einem kühlen Nachmittag stolperten sie auf die Lichtung. Es wurde heller, die Bäume wichen zurück, und dann schreckten sie eine Ziege auf, die am Rande des Tals graste und sahen die Umrisse der Hütten des Priesters vor sich. Hühner pickten zufrieden Körner vom Boden, aber der Wald hatte sich während der Abwesenheit des Bruders vorgearbeitet. Der Hof des Anwesens, um den die Hütten herum standen, war mittlerweile dicht mit Gras und Dornbüschen bewachsen. Ranken wanden sich um das Wohnhaus, und vor der Türschwelle wucherte junger Farn. Der primitive Holzzaun, der das Ziegengehege umschlossen hatte, war zusammengefallen und überwachsen, und Schößlinge von Haselnußsträuchern und Linden,

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