Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
Vom Netzwerk:
fest aneinander. Ein Windstoß riß an ihnen, schob sie drei Meter weit über den Boden, bis Michael das Schwert in den Boden rammte und ihnen damit Halt gab. Sie klammerten sich daran fest -es war ein eiserner Anker im Herzen der Welt -und glaubten, den Wald stöhnen zu hören. Ein herumwirbelnder Ast traf Michael am Ellbogen, und sein Arm wurde taub. Seine Hand löste sich vom Griff des Schwertes, doch Cat schlang ihre Beine um seine Hüfte und packte die Schwertklinge. Die Schneide schnitt ihr bis auf die Knochen in die Hände, und der Sturm sprühte Michael ihr Blut ins Gesicht. In dieser Situation registrierte er, daß sie das Eisen berühren konnte. Das Wyr-Feuer hatte sie verlassen, und sie gehörte wieder zu ihm. Dann wurde der Wind schwächer; sein Tosen nahm nach und nach ab. Die Bäume hörten auf, sich wie wahnsinnig zu schütteln und schwankten wieder auf natürlichere Weise. Das Wyr-Feuer hatte sich verbraucht. Michael hob den Kopf aus dem Morast und blickte auf eine Stätte der Verwüstung. Totes Laub und abgerissene Zweige wirbelten durch die Luft, aber die Kraft des Sturms war gebrochen. Er konnte wieder atmen. Cat stöhnte leise, und als er sie zu sich herumdrehte, sah er den langen blutigen Riß auf ihrem Kopf, die zerschnittenen Finger, das zerissene Fleisch, aus dem ihr Schlüsselbein leuchtete. Doch ihre Augen waren offen, und sie waren menschlich, warm und grün, voller Tränen. »Es ist vorbei«, sagte er mit weicher Stimme. »Wir haben es überlebt.« Und sie lächelte ihn an. Der Wind ließ weiter nach. Schon bald war er nur noch eine leichte Brise, die ihnen leicht durch das Haar fuhr, und in der Luft war eine Wärme, die sie seit Wochen nicht mehr erlebt hatten. Die letzten Geräusche berstenden Holzes verstummten. Er blutete, und seine linke Hand war ein nutzloser Stumpf am Ende seines Unterarms, aber er spürte es kaum. Er meinte, immer noch die Totenklage des Waldes zu hören. Eine Lücke war in das Laubdach gerissen worden, Bäume waren wie Kegel übereinandergestürzt, ihre Wurzeln ragten wie schwarze Fühler in die Luft. Aber der Himmel war blau und klar, und Sonnenlicht strömte auf alles nieder und ließ den Schlamm dampfen. Ein Frühlingstag, und noch viele Stunden bis zum Sonnenuntergang. Er nahm Cat in seine Arme, hob sie von dem kalten Boden. »Komm. Wir werden diesen Ort verlassen.«

KAPITEL NEUNZEHN
    Der Schlamm war an ihnen getrocknet, hatte Cats Haar in einen stacheligen Helm verwandelt und die zerrissenen Ränder ihrer Wunden überkrustet. Sie hatten fast zwei Stunden gebraucht, um das große Feuer zu entzünden, neben dem sie saßen, und ihre zahlreichen Wunden mit der glühenden Spitze des Ulfberht sorgfältig auszubrennen. Sogar dieser kurze durchdringende Schmerz ließ sie nur leicht aufstöhnen. Schmerz war zu einer alltäglichen Erfahrung geworden -so vertraut wie der Mangel an Schlaf. Sie hatten kein Essen, nichts zu trinken. Der Topf, in dem sie das Wasser gekocht hatten, war auf dem Rücken des grauen Wallachs im Wald verschwunden. Doch sie dachten nicht lange darüber nach. Es gab erst einmal nur den Moment, die anbrechende Nacht, die Bäume ringsum. Es hatte aufgehört. Die unsichtbare Anwesenheit, die sie gespürt hatten, die in den vergangenen Tagen so schwer auf ihnen gelastet hatte, war verschwunden, als das Wyr-Feuer frei wurde, und sie fühlten sich jetzt nicht mehr beobachtet. Es war, als hätte sich das Bewußtsein des Waldes zurückgezogen. Vielleicht, um seine Wunden zu lecken, vielleicht aber auch, um sich eine neue Angriffstaktik zu überlegen. Sie wußten es nicht.

    Warum nannte man es Wolfswald, wenn es dort keine Wölfe gab? Diese Wesen waren es, denen der Wald seinen Namen zu verdanken hatte; die Bestien, die aus dem Boden gekommen waren. Wölfe aus Holz. Sie waren die Wächter des Wolfswaldes, setzten die Feindlichkeit der Bäume fort. Die Stätte des Kampfes war kaum hundert Meter entfernt -weiter waren sie nicht gekommen, zerschlagen wie sie waren. Hier war der Boden weniger feucht, denn das Wasser hatte sich verlaufen. Sie lagen auf einer dünnen Schicht von Zweigen und Moos, und um sie herum blickten die verlorenen Seelen aus den Baumstämmen, die Münder zu stummen Schreien aufgerissen. Nennian war auch dort. Ein lautes Knacken war in der Dämmerung zu hören, eine Borkenschicht war von einem Stamm in der Nähe abgeplatzt, und die breiten Gesichtszüge des Priesters waren erschienen. Sehnenstränge standen an seinem Hals hervor, als

Weitere Kostenlose Bücher