Der magische Wald

Sensation, als sie sich wusch, und die Männer ihr Gesicht richtig sehen konnten. Sie war so schön wie eh und je, aber es war eine scharfgeschnittene Schönheit. Sie war gertenschlank, und die Augen blickten groß aus ihrem schmalen Gesicht. Blaue Flecken, Schrammen, Narben und halb verheilte Wunden übersäten ihren Körper, und in den Nächten küßte Michael traurig jede einzelne Blessur. Er liebte sie so vorsichtig, als hätte er Angst, sie würde unter seinem Gewicht zerbrechen. Das Dorf war die letzte von Menschen bewohnte Siedlung vor dem Wolfswald, ein vergessener Ort, dem Bruder Nennian vor acht Jahren einmal einen Besuch abgestattet hatte und den die Ritter selten aufsuchten. Nachdem die Menschen einmal ihre anfängliche Scheu abgelegt hatten, lechzten sie nach Neuigkeiten, und sie konnten sich nicht genug darüber wundern, daß die beiden Reisenden aus dem Süden gekommen waren, aus den schrecklichen Tiefen des Wolfswalds.

    Doch Michael und Cat hatten ihnen wenig zu erzählen. Sie lagen in der dritten Nacht in der Hütte, die man ihnen zugewiesen hatte, eng umschlungen zusammen, als sie im Wald Hufschlag hörten. Ein schwaches, weit entferntes Galoppieren und das Geheul von Wölfen. Sie wußten, daß sie immer noch verfolgt wurden, und so brachen sie am vierten Morgen unter den Segenswünschen des Priesters auf. Endlose Tage, unaufhörliches Reisen. Manchmal rasteten sie für eine Weile und brachen wieder auf, wenn die Bestien sich näherten. Sie trafen häufiger auf Siedlungen, auch auf größere, kreuzten andere Wege, sahen Kirchtürme aus den Bäumen ragen und begegneten Ritterabteilungen, die die Waldwege patrouillierten. Sie kamen nur langsam voran, immer Richtung Norden. Gelegentlich entdeckten sie Spuren der Stämme in den Wäldern, erblickten Wesen in den Bäumen, die wachsam wie Tiere waren. Dreimal stießen sie auf Scheiterhaufen, auf denen Menschen verbrannt worden waren, und einmal kamen sie an einem zerstörten Lager vorbei, in dem es nach unbeerdigten Leichen stank und Aaskrähen und Füchse sich herumtrieben. Die Ritter rächten sich für den Angriff der Fuchsleute. Es schien Jahre zurück zu liegen. »Wo gehen wir hin?« hatte Cat ihn gefragt, und er hatte geantwortet: »Wir müssen Ringbones Leute finden.« Aber das war nur die halbe Wahrheit. Als der Frühling in den Sommer überging, und sie ihre schweren Pelze ablegen konnten, sagte er ihr endlich, daß er zurück nach Hause wollte. Er wollte zurückkehren an den Morgen seiner Abreise, in seine Kindheit. Sie wanderten auf die Höhlenöffnung zu, durch die sie dieses Land betreten hatten, den ständigen Durchgang, der ihn zurück zu der Brücke in seiner eigenen Welt bringen würde. Und er bat sie, mit ihm zu kommen. Für einen Moment dachte er, daß sie ihm an den Hals springen würde. Ihre Augen funkelten. Aber das kam nur von den Tränen, die in der Sonne glitzerten. Sie sagte nichts, und während der nächsten beiden Tage sprachen sie kaum ein Wort miteinander. Er konnte sie nicht dazu bewegen, mit ihm über dieses Thema zu sprechen. Es wurde zu einem absurden, unerträglichen Tabu. Sie spürten, daß sie wieder beobachtet wurden, aber diesmal war es nicht der Wald. In den Bäumen erklang heulendes Gelächter, das in Knurren überging, und manchmal sahen sie kurz Gesichter, die von den Ästen auf sie herabblickten, wenn sie vorbeiritten. Kleine Mißgeschicke ereigneten sich. Der größte Wasserschlauch wurde leck, die Pferde begannen unvermittelt zu lahmen. Michaels Sattelgurt riß, und er entdeckte, daß er von Zähnen angenagt worden war. Cat rief Mirkadys Namen in die Bäume, denn sie war sicher, daß die Wyrims dahintersteckten, aber sie erhielt keine Antwort. »Sie haben mich verlassen«, flüsterte sie. »Ich bin keine von ihnen mehr.« Nichts was Michael sagte, konnte sie aufheitern. Seine Schuldgefühle lagen ihm schwer auf der Seele. Was immer sie hier für ein Leben geführt haben mochte, bevor er gekommen war, er hatte es zerstört -und jetzt wollte er sie verlassen. Sie mußte einfach mit ihm kommen. Sie mußte. Hier gab es nichts mehr für sie. Der Mittsommer kam und ging. Michaels Haar wurde fast weiß. Sein Bart war graumeliert, zottig wie der eines alten Seehundes. Cat sah aus wie seine Tochter ... nein, seine Enkelin. Sie reisten nach Norden wie zwei Verbannte auf der Suche nach einem Zufluchtsort, und sie wurden die ganze Zeit über verfolgt. Nachts hörten sie Geräusche in der Ferne, und in den Stunden vor