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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
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Sonnenaufgang rochen sie den Gestank der Bestien. Obwohl sie sich von den grausamen Strapazen des Wolfswaldes erholt hatten, zerrte die ständige Beobachtung an ihren Nerven. Als sie eines Tages zufällig auf einen der Fuchsmänner trafen, der allein auf der Jagd war, tötete Michael ihn beinahe; instinktiv ritt er ihn um. Erst als der leicht verletzte Stammesangehörige verzweifelt »Utwychtan» schrie, senkte er sein Schwert, und die Mordlust wich aus seinen Augen. Er erkannte, wen er vor sich hatte, und hörte sich selbst heiser lachen, ein fröhliches, erleichtertes Lachen. Feiern. Festgelage. Ein glücklicher Tag, über dem keine Wolken hingen. Ringbone begrüßte sie beide mit einem ungewohnt herzlichen Grinsen, und er und Michael umarmten sich wie Brüder. Cat und Michael wurden wie Helden behandelt, und Michael hatte wenigstens hier das Gefühl einer Heimkehr, der Rückkehr zu vertrauten Dingen. Der Stamm der Fuchsleute war größer geworden. Sie hatten Flüchtlinge der Bärenleute aufgenommen, deren Lager die Ritter zerstört hatten. Sie waren jetzt ungefähr achtzig, eine stattliche Anzahl, und unterschieden sich deutlich von dem besiegten, angsterfüllten Volk, das Michael zuletzt an der Grenze zum Wolfswald gesehen hatte. Sie hatten sich nach Norden zurückgekämpft, unterwegs immer wieder einmal ein, zwei Leute verloren, waren aber jetzt wieder in ihren traditionellen Jagdgründen, und weder die Bestien noch die Ritter mit ihren Eisenschwertern würden sie vertreiben.

    Der Kampf um das Dorf wurde in einem Lied beschrieben, einem einfachen, wilden Gesang, und Michael wurde klar, daß er und Cat bei diesem Volk zu einer Art Legende geworden waren. Ehrfurchtsvoll wurden sie von den neuen Mitgliedern des Stammes begrüßt. Utwychtan, der Mann, der mit Feuer und Donner Ritter getötet hatte und dem Wolfswald getrotzt hatte. Teowynn, die Baumjungfrau, die den Wald besser kannte als jeder der Jäger. Sie hatten einen Mythos begründet. Aber sie mußten weiter. Die Bestien kamen näher, und Michael wollte den Schwarzen Reiter nicht über diese Menschen bringen. Ringbone und einige seiner Männer eskortierten sie durch den Wald -eine Ehrengarde von Eingeborenen —, und als der Sommer langsam dem Herbst wich, befanden sie sich schon weit im Norden. Es wurde kälter und die Nächte länger.

    Doch sie wurden getrennt, als die Verfolger nahten. Wölfe griffen Cat und Michael an und töteten den grauen Wallach, der Cat so weit getragen hatte. Schließlich trafen sie wieder mit Ringbones Leuten zusammen. Michael war wieder verletzt und fieberte. Und noch etwas war geschehen: Nach und nach war die Waldsprache, die ihren Platz in Michaels Kopf gefunden hatte, wieder verschwunden. Zuerst einzelne Worte, dann das Verständnis für den Satzbau. Er konnte sie immer noch besser verstehen als selbst sprechen, aber als ein früher Winter den Herbst ablöste, mußte Cat als Dolmetscherin zwischen ihm und den Fuchsleuten einspringen. Es war, als würde das Land sich von ihm abwenden, ihn ausschließen, nachdem er sich einmal entschlossen hatte, es zu verlassen. Diese Vorstellung stimmte ihn traurig und bitter. Sie mußten in einer Siedlung der Brüder Zuflucht suchen, die die Fuchsleute nicht betreten wollten. Merkwürdigerweise konnte Michael die Brüder genauso gut verstehen wie eh und je. Vielleicht hatte es damit zu tun, daß auch sie Christen waren. Dann verließen die meisten der Fuchsleute sie, nur Ringbone begleitete sie bis zum Schluß, bis zur Utwyda. Es war mittlerweile kalt geworden; der erste Schnee war gefallen. Den Fuchsmann neben sich, Cat auf einem geborgten Maultier, hatte Michael in das Land jenseits des Waldes geblickt. Seltsam offen und leer lag es nach den Monaten und Jahren, die sie unter Bäumen verbracht hatten, vor ihnen. Dort verabschiedeten Cat und Michael sich von dem Wilden, der zunächst eine Schreckensgestalt aus einem Kinderalptraum für sie gewesen war, dann aber ein Freund geworden war, einer der wenigen echten Freunde, die Michael in seinem Leben gefunden hatte. Ringbone schien die Endgültigkeit dieses Abschieds nicht bewußt zu sein. Er hatte nie damit gerechnet, sie noch einmal wiederzusehen, nachdem sie in den südlichen Wäldern verschwunden waren, aber sie hatten überlebt, und zweifellos würden sie auch von dieser neuen Reise eines Tages zurückkehren. »Ai neweht yewenian», sagte er, und soviel verstand Michael noch. Bis ihr zurückkommt. Dann verschmolz Ringbone mit der Dämmerung

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