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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
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Blicke zum Himmel. Wenn das Heu geschnitten war, genügte ein Regentag, um aus einer guten Ernte eine ruinierte Ernte zu machen, und trotz Mullans Protest waren sie dann froh über den Traktor und die rechteckigen Ballen, die die Ballenpresse säuberlich in ihrer Fahrspur zurückließ. Der Traktor war eine Neuanschaffung, und im Vorjahr hatte Pat über die quadratischen Türme aus Heuballen gemurrt, die die Felder anstelle der alten, runden Heuschober übersäten. Fortschritt. Das Leben wurde immer schneller, beschwerte er sich, wie die Autos auf den Straßen. Man brauchte eine wachsame Hand am Zügel, um eine Kutschfahrt ins Dorf zu machen, weil die Pferde jedesmal nervös wurden, wenn eines der Metallmonster vorbeifuhr. Pat war ein einfacher Mann, für den es im Leben nur Schwarz und Weiß gab, nostalgisch wie jeder Ire, wenn er von seinem Land spricht. Michael wußte, daß seine Frau ihn anspornte, wie eine alte Mähre, die sich zögerlich ins Geschirr legt. Sein Sohn Sean war voller neuer Ideen, die er auf dem Landwirtschafts-College aufgeschnappt hatte. Seiner Meinung nach war das Führen einer Farm eine Wissenschaft, während es für Pat und Mullan und — wenn man ehrlich war auch für Michaels Großmutter ein Lebensstil war, so naturgegeben wie die Rückkehr der Schwalben im Frühling. Die Abläufe hatten sich seit Generationen jeder Veränderung gesperrt, jetzt aber wandelten sie sich, genau wie das Land selbst. Das Farmleben wurde zergliedert und analysiert, in einzelne Phasen gespalten. Die Jahreszeiten wurden zu Faktoren einer mathematischen Gleichung. Michael verstand von all diesen Dingen nichts. Er bemerkte, daß jetzt mehr Gerätschaften aus Metall in den Schuppen standen als früher, und daß der Geruch von Maschinenöl und Benzin so vertraut wurde wie der Duft von Leder und Pferdestall, doch er zog daraus keine Schlüsse. Der nächste Tag war weit genug entfernt, um sich um sich selbst zu kümmern, und der Sommer war wie eine goldene Straße, die ins Unendliche führt. Genau vor seiner Nase gab es viel interessantere Dinge zu erleben. Großvater und Mullan zogen ein paar Tage später los, um einen Blick auf das ›kleine, feine Gäulchen‹ zu werfen. Michaels Großmutter blieb still und reserviert. Onkel Sean hielt es für Geldverschwendung. »Aber es wird eine gute Ernte werden«, hatte Großvater gesagt, während er nervös mit der Hand über die Lehne eines Holzstuhls strich. »Wir können es uns leisten, und wenn wir die Ochsen verkaufen, haben wir mehr als genug Weidefläche.« »Für Schafe, dachte ich«, murmelte Sean, aber Großmutter tat so, als habe sie nichts gehört. »Die Grundwiese braucht Schonung, und wenn ein Pony für eine Weile dort grast, wird das wohl kaum schaden.« »In ein paar Monaten ist es Winter.« Sean unternahm einen letzten Vorstoß. »Woher sollen wir dann Futter nehmen?« »Wenn Gott es will, wird das die beste Heuernte, die ich seit zehn Jahren gesehen habe. Wir können damit einen Fresser mehr versorgen.« Pat und Mullan wechselten triumphierende Blicke. Sean setzte sich brummend. Sie nahmen Michael mit, als sie losfuhren, um sich das Tier anzusehen. Langsam trottete Felix, eines der beiden schweren Pferde, vor ihnen her. Dämon saß hechelnd hinten im Wagen, das schwarzer Fell voller Staub. Ein paar Autos kamen vorbei, und Felix warf verärgert den Kopf hoch, aber er war ein alter Kämpe und würde nicht damit anfangen, sich mit den blöden Störenfrieden mitten auf der Straße anzulegen -das behauptete jedenfalls Großvater. Gelegentlich kam ihnen ein Reiter entgegen, und sie hielten mehr als einmal an, blockierten die ganze Straße und hielten ein Schwätzchen mit entfernten Nachbarn. Zweimal fuhren sie unter hölzernen Bögen her, die Mitglieder der Konservativen Irischen Protestanten zur Feier des Zwölften aufgestellt hatten und die mittlerweile in einem beklagenswerten Zustand waren. Michael hatten die hölzernen Bilder, mit denen die Bögen geschmückt waren, immer schon fasziniert; der Mann auf dem weißen Pferd, die rote Hand, die Miniaturleitern. Ihm war aber auch klar, daß damit etwas nicht stimmte. Aus diesem Grunde spuckte Großvater automatisch und ohne nachzudenken aus, als der Schatten der Bögen auf den Wagen fiel. Allerdings warf er Mullan im nächsten Moment einen entschuldigenden Blick zu.

    Mullan war Protestant. Am zwölften Juli ging auch er auf die Straße, die Brust voller Orden, und zog förmlich seinen Sonntagshut, wenn er an der Farm

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