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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
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vorbeikam, als seien ihre Bewohner Fremde für ihn, obwohl die meisten Familienmitglieder im Hof standen und ihm zuwinkten. Denn an diesem Tag war er Teil einer anderen Welt, Angehöriger eines fremden Volkes, das nichts mit ihnen gemeinsam hatte. Am dreizehnten war er dann wieder der alte Mullan, der die Mütze schief auf dem Kopf trug und nicht den besten Ruf hatte. So war das Leben. Nach einer langen Fahrt durch den heißen Morgen erreichten sie ihr Ziel und stiegen vor einer Ansammlung weißgetünchter Häuser vom Wagen und klopften sich den Staub aus den Kleidern. Ein Hund begann wild zu bellen, und Großvater packte Dämon am Halsband. Sie hörten Kinderstimmen. Eine Tür schlug zu, und dann trat ein untersetzter Mann, dem das Hemd aus der Hose hing, aus einem der Häuser. Er zog sich die Hosenträger über die Schultern. »Ah, Pat, du bist also gekommen, um sie dir einmal anzusehen. Ich wußte, daß du kommen würdest.« Sie schüttelten sich die Hände. Der Mann langte in die Tasche, förderte eine halbgerauchte Zigarette zum Vorschein und steckte sie zwischen die Lippen. Dann grinste er Michael mit den paar Zähnen an, die ihm geblieben waren (es waren nicht viele, und die waren schwarz), und ging auf eines der Gebäude zu, wobei er sie mit einer Kopfbewegung aufforderte, ihm zu folgen. »Hab' sie heut' extra hergebracht, damit ihr nicht über die halbe Weide stolpern müßt, um sie euch anzusehen. Sie ist ein prächtiges Pferdchen.« Er schob die Metallriegel einer Flügeltür zurück, und sie hörten Hufstampfen aus dem Verschlag. Mullan zündete nach alter Gewohnheit ein Streichholz an seiner Stiefelsohle an und saugte die Flamme in seine Peterson. Es war eine braune Stute, mit zwei weißen Socken und einem Flecken über den Nüstern. »Zwei weiße Strümpfe sind immer Trümpfe«, murmelte Michael, und sein Großvater zwinkerte ihm zu. Sie stapften durch das Stroh auf dem Stallboden, während die Stute angesichts des fremden Geruchs zu schnauben begann und in die Ecke des Stalls zurückwich. Großvater strich ihr weich mit der Hand über den Rücken, gab ihr ein Karottenstück zu knabbern, betastete ihre Beine und hob dann ihre Hufe, um einen Blick darunter zu werfen. »Wie alt?« »Gerade fünf geworden, wie ich schon gesagt habe«, antwortete der Eigentümer.

    Sein Zigarettenstummel glimmte jetzt, und er kniff die Augen zusammen, als der Rauch ihm ins Gesicht stieg. Pat schob dem Pferd die Oberlippe hoch, betrachtete die Zähne und nickte. Er registrierte, wie die Stute die Ohren aufgerichtet hielt, und daß kein Weiß in ihrem Auge war. Ein ausgeglichenes Tier. »Kann man sie mal in Bewegung sehen?« fragte er. »Aber klar.« Der Mann warf ihr Zaumzeug über und führte sie durch das raschelnde Stroh auf den sonnigen Hof, wo Dämon lag und sie beobachtete. Der Mann führte sie hin und her. Sie war nicht beschlagen, hob die Hufe aber in einem übertriebenen Tänzeln. Sie war perfekt. Michael staunte. »Ein toller Gang«, sagte Mullan. Er wechselte einen Blick mit Großvater, und Michael wußte, daß das Pferd so gut wie gekauft war.

    »Fünfzehn Hände groß, würde ich sagen«, schätzte Pat. »Och, nein.« Der Mann war außer Atem. »Vierzehn ein Drittel.« »Vierzehn hattest du gesagt«, sagte Pat locker. »Nur ein kleines Pony, sonst nichts.« »Ich habe natürlich gewußt, daß du sie dir niemals angesehen hättest, wenn du gewußt hättest, wie groß sie ist. Und sie ist doch sehenswert, nicht wahr?« Pat warf ihm einen Blick zu, in dem sich Verärgerung und Amüsement mischten, und im Gesicht des Mannes erschien ein häßliches Grinsen, als er erkannte, daß er recht gehabt hatte. Sie begannen zu feilschen. Die Stute stand nichtsahnend, aber angespannt neben ihnen. Die Muskeln an ihren Flanken zitterten. »Sechzig Pfund scheinen mir ein fairer Preis zu sein.«

    »Guineas wären fairer, und zwar ein paar mehr als das.« »Was meinst du denn?« »Nun, was bietest du denn? Mach ein realistisches Angebot.« »Nein, nein. Du mußt einen Preis nennen. Wieviel verlangst du denn?« Der Mann nannte einen Preis, der Großvater und Mullan so zum Lachen brachte, daß sie sich das Wasser aus den Augen wischten. »Du bist ja ein richtiger Komiker«, lachte Mullan. Der Preis ging herunter. Sie stritten und argumentierten. Großvater tat, als wolle er sich verächtlich auf den Rückweg machen. Mullan zog ihn zurück. Sie warfen die Hände hoch, betonten die Größe des Pferdes. Das war ein Pferd, kein Pony.

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