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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
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Wäldern jemals seltsame Spuren, Knochen oder Gestalten gesehen hatte. Und der alte Mann hatte ihm einen prüfenden Blick zugeworfen und ihn gefragt, ob er wieder Märchenwesen gesehen hatte. »Hunde. Wie ist es mit Hunden, einem ganzen Rudel? Hast du Spuren davon gesehen?« »Worauf willst du hinaus, Michael? Willst du mir sagen, wir haben ein paar Schafe verloren?« »Nein, nein. Ist schon gut.« Aber er machte sich Sorgen, wenn Mullan die ganze Nacht hindurch auf Fasanenjagd ging, und fragte sich, was passieren würde, wenn er auf ein Wolfsrudel stoßen würde. Doch so etwas geschah nicht, und Mullan bemerkte trotz seiner Erdverbundenheit nie etwas Ungewöhnliches. Vielleicht waren sie nur für ihn da. Michaels Wölfe.

    Etwas aus einem sehr alten Alptraum schwebte über ihm, ließ ihn aufschreien. Eine Fuchsmaske über einem dreckverschmierten Gesicht mit übelriechendem Atem. Er versuchte, sich aufzusetzen, wurde aber zurückgestoßen und von einer rauhen, dunklen Stimme mit seltsamen Worten angeherrscht. Die Waldsprache. Ringbone. Sein Kopf rollte zur Seite, und er sah, daß sein Unterarm mit Birkenrinde verbunden worden war. Schwarzer Lehm, der nach Urin stank, quoll unter dem primitiven Verband hervor. Er schloß die Augen. Er hörte Menschen um sich herum, das Knistern eines Feuers, den Wind in den Ästen. Unter ihm raschelte seine Unterlage, als er sich bewegte. Er spürte eine kühle Handfläche auf seiner heißen Stirn. »Cat?« »Alles ist gut, Michael. Ringbone und seine Leute haben uns wiedergefunden und die Wölfe vertrieben. Du wirst wieder auf die Beine kommen.« Das hatte er schon oft gehört. Solche Phrasen waren billig. Er zwang sich, die Augen zu öffnen. Waldmohn. Die Hundesöhne hatten ihn betäubt. Aber er kannte Ringbone. Er war fast ein Freund aus der Kindheit. Er streckte seinen gesunden Arm grüßend dem schlanken Fuchsmann entgegen, der neben ihm saß und nach Schweiß und Aas roch. Er grinste zur Antwort. »Sind wir sicher? Die Wölfe ...« »Wir haben sie erst einmal vertrieben«, sagte Cat. »Ringbones Leute halten Wache.« »Es war kein Werwolf, der mich gebissen hat — sag ihnen das —, sie wissen das, oder?« »Natürlich«, sagte sie beruhigend. »Es war nur ein Tier. Sie wissen es ... Du bist in Ordnung. Sie werden dich nicht fressen.« Und sie lächelte das berühmte Cat-Lächeln, Cheshire-Cat, die ihn durchs Wunderland führte. Sie wirkte nicht mehr so erschöpft. Eine blasse Sonne stand am Himmel wie ein Hauch von Frühling. Sie hatte sich das Haar gewaschen, und ihr Atem roch nach Pfefferminz. Er spürte, wie die alte Begierde sich regte, und mußte über sich selber lachen. Sie legte ihm die Hand zwischen die Beine und hemmte seine Erektion. »Heute nacht, vielleicht«, sagte sie. »Die Fuchsleute können für uns die Umgebung beobachten.« »Was meinst du, wen sie beobachten werden?« fragte er leichthin. »Wen sie wollen.« Ich bin ein Wilder geworden, dachte er.

    Kein Anstand ist mir geblieben. Ich würde es hier vor allen Leuten mit ihr machen, wenn ich die Kraft dazu hätte. Sie schien es zu wissen. Sie beugte sich über ihn, und ihre nach Pfefferminz schmeckende Zunge schob sich in seinen Mund und züngelte wie eine nasse Schlange darin herum. Er spürte, wie die Blätter von ihrem Mund in seinen geschoben wurden, schmeckte ihren Kaugummigeschmack. Sie zog den Kopf zurück. »Heute nacht«, sagte sie lächelnd. »Wir sind fast zu Hause, nicht wahr?« »Fast.« Ihr Lächeln erstarb. »Aber immer noch nicht aus den Wäldern heraus.« Er schloß die Augen und schämte sich der plötzlichen Angst, die ihn überkommen hatte. Heute war nicht das erste Mal, daß Ringbone und sein Volk ihnen das Leben gerettet hatten. Und dennoch mußte er immer wieder an ein grausiges, blutiges Mahl denken, das er im Schein eines Feuers beobachtet hatte, in einem Wald, in dem Wolfsgeheul ertönte. Ringbones Leute, die einen der ihren erledigten, nachdem er ... befleckt worden war. Es schien tausend Jahre zurückzuliegen. Eine andere Welt, ein anderes Leben.

    Es war an einem Herbstabend, mehr als vier Jahre nach Roses Abreise, und die ersten Regungen von jugendlicher Reizbarkeit hatten ihn vom Abendbrottisch zu den Ställen und danach auf das freie Land hinter der Farm getrieben. Es war ein stürmischer Abend, die Wolken wurden schnell über den Himmel getrieben, und der Wind pfiff durch die nur noch spärlich belaubten Baumäste. Die Dunkelheit brach jetzt schon schnell herein; vorbei

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