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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
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die weißen Zähne gebleckt. Hinter dem Fenster eines Zuges verschwand es im Dunkel des Tunnels. Er hörte Heulen und fröhliches Gelächter. Keuchend hatte er die Arme auf die Knie gestützt, als jemand in einer blauen Uniform erschien und ihn fragte, was zum Teufel er hier für eine Vorstellung gab. Das war vor drei Tagen gewesen. Das Produkt fieberhafter Einbildung? Ein Nervensystem, das kurz vor dem Zusammenbruch stand? Oder einfach der Alkohol, der seinem Gehirn zunehmend zusetzte? Was geschah mit ihm? Begann es von neuem? Der kleinste Kratzer eines Werwolfes bringt den Tod, da er das Opfer ansteckt. Michael war dem Tod in jener Nacht nur um Haaresbreite entgangen. Nur Mirkadys dicker Wams hatte ihn gerettet, obwohl er ihm vom Rücken gerissen worden war. So nah war er dem Tod ständig gewesen, war zusammen mit Cat immer am Rande des Abgrunds gewandert. In der Anderen Welt war der Tod nie weiter entfernt gewesen, als man spucken kann, und dieser Abstand war das Leben gewesen, ein erfülltes, auf das Wesentliche konzentriertes Leben, in dem er keine Skrupel gekannt hatte. Ein vorbeifliegendes Leben, erfüllt von Angst und so von Gewalt durchzogen, daß diese zu seiner zweiten Natur geworden war. Ein Mensch, den man in die Enge treibt, unterscheidet sich kaum noch von einem wilden Tier. Aber das lag jetzt hinter ihm — und das war in diesen Tagen sein Mantra. Die Muskeln, die sich zum zweiten Mal entwickelt hatten, waren nicht mehr die gleichen wie einst. Er war ein anderer Mann; sogar der Bart war verschwunden. Diese Wesen hatten kein Recht dazu, wieder in seinem Leben aufzutauchen. Werwölfe, Herr im Himmel! Kein Recht. Cat. Obwohl schon eine entfernte Ähnlichkeit ihm das Herz zusammenkrampfte, wollte er dieses Karussell nie wieder besteigen. Auch wenn sie da gewesen war, war es kein Zuckerschlecken gewesen. Es war nicht leicht für ihn gewesen, wenn ihre nichtmenschliche, ihre Wyrim-Seite zutagegetreten war. Er betete, daß es nicht wieder begann.

KAPITEL VIERZEHN
    Nachdem sie die Toten verbrannt hatten, zogen sie weiter nach Süden, folgten den spärlichen Wildpfaden durch das Dickicht des Waldes. Sie waren jetzt noch wachsamer als zuvor und hielten nach Wolfsmilch Ausschau, um die Wirksamkeit ihrer Waffen zu verbessern. Michael hatte das unerklärliche Gefühl, daß er in der Nacht, als der Werwolf angegriffen hatte, gerufen worden war, und er konnte nicht vergessen, wie die Klauen der Bestie fast liebevoll über sein Gesicht geglitten waren, bevor die Fuchsmänner sie angegriffen hatten. Der Frühling war mit ganzer Kraft angebrochen. Die letzten Schneereste unter den Bäumen wichen einem Teppich von Osterglocken, Maiglöckchen und hellen Primeln. Der Wald wurde heller, erwachte vor ihren Augen wieder zum Leben, und die Nächte wurden kürzer. Nachdem der erste Schock des Angriffs überwunden war, bemächtigte sich eine fröhliche Stimmung des Stammes. Zwei Wochen später kreuzten sie einen breiten Wildpfad, und ein paar Männer zogen los, um ihr Jagdglück zu versuchen, denn das geräucherte Fleisch blieb ihnen bald im Halse stecken. Michael ging nicht mit ihnen. Mit jeder Meile, die sie weiter nach Süden zogen, wuchs ein Angstgefühl in ihm. Er verließ mit Cat das Lager und stieg auf einen bewaldeten Hügel, der ein langgezogenes Tal überragte, das nach Westen führte. Ein Meer von Bäumen erstreckte sich wie in einer Schüssel nach allen Seiten. »Keine Menschen, keine Häuser, keine Straßen — nichts.« »Wir sind in der Wildnis, Michael. Was hast du erwartet?« Er sah sie an. Cat kam mit den Fuchsleuten gut zurecht, hatte aber keine Freundschaften geschlossen. Sie hatten immer noch ein bißchen Angst vor ihr, dachte er; sie nahmen den Wyrim-Teil von ihr wahrscheinlich deutlicher wahr als er. Für ihn war sie reizvoll wie immer, gertenschlank und durchtrainiert. Sein Herz schlug schneller, wenn ihre Lippen sich zu einem Lächeln verzogen und diese grünen Augen ihn anblitzten. Sie trug eine Hemd aus weichem Hirschleder, aus dessem Ausschnitt ihre weiße Haut leuchtete. Im Gürtel trug sie das Steinmesser. »Keiner der Dorfbewohner kommt so weit in den Süden«, fuhr sie fort. »Der Wald ist hier zu gefährlich, es gibt zu viele Bestien, und nachts zieht der Schwarze Reiter durch die Täler. Selbst die Stämme jagen selten hier unten. Wir sind nur noch ein paar Meilen vor dem Wolfswald.« »Wie ist es mit deinem Volk? Leben sie hier, oder trauen sie sich auch nicht hier her?« Sie grinste ihn an,

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