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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
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das Gesicht eines dritten Mannes mit einem schnellen Schlag seiner krallenbewehrten Pfote und lief davon. Mehrere Speere flogen hinter ihr her, aber es war in der Dunkelheit unmöglich zu sagen, ob sie trafen. Äste brachen, als die Bestie in den Wald sprang, dann war sie verschwunden.

    Michael setzte sich im Bett auf, zitternd und schweißüberströmt. Das Gesicht — mein Gott — dieses Gesicht nur ein paar Zentimeter vor seinem eigenen, dieser grauenhaft stinkende Atem. Es war still im Zimmer. Die Leuchtziffern der Uhr verrieten ihm, daß es halb vier war. Sogar der Verkehr hatte jetzt nachgelassen. Die Stadt schlief. Er langte nach seinen Zigaretten, tastete über den Nachttisch und knipste dann die Lampe an, so daß eine helle Ecke im Zimmer war, eine Oase in der Nacht. Der Rauch der Zigarette ließ ihn ruhiger atmen, besänftigte sein rasendes Herz. Werwölfe. Verflucht noch mal. Er hatte Angst, mehr Angst, als er jemals gehabt hatte, seit er durch den Wald, der von Wölfen heimgesucht wurde, gezogen war. Denn dieser Wald, diese Welt, griff hier nach ihm. Er war sich sicher. Zu viele Dinge — das Knurren des unbekannten Tieres auf der Straße an jenem Abend, diese Träume, die alle möglichen Ereignisse wieder wachriefen, die er vergessen hatte — erinnerten ihn daran, wie es gewesen war, fast so, als sollte er auf etwas vorbereitet werden. Auf was? Darauf, dorthin zurück zu gehen? Gott bewahre! Vielleicht war alles Einbildung. Eine Art Verfolgungswahn, der ihm Streiche spielte. Jeder hatte Alpträume, und das Wesen in der Straße konnte ein Hund gewesen sein. Er hatte es nie zu Gesicht bekommen. Trotzdem war er mit dem Taxi nach Hause gefahren. Er hatte den Gedanken unerträglich gefunden, eine halbe Meile durch die Dunkelheit zu gehen. Dabei war es gar nicht wirklich dunkel, es gab hier Straßenlampen und Autos. Es herrschte aber ein städtisches Zwielicht, eine Halbwelt. Verrückt. Hier drüben konnte man es sich noch weniger vorstellen. Das war in Irland schon leichter, dem Land mit den schweigenden Wäldern, den kleinen Feldern, den leeren Straßen. Er hätte nicht gedacht, daß es ihn in der Stadt packen würde. Und jetzt lag er hier, zündete um fast vier Uhr morgens die dritte Zigarette an, zitterte so, daß Asche auf sein Bettzeug fiel, und starrte angsterfüllt zum Fenster. Diese Augen. Er konnte sie immer noch vor sich sehen. Sie schienen aus dem Lichtkegel der Lampe zu steigen. Seltsam, wieviel er über die Jahre vergessen hatte. An Ringbone, Mirkady oder Bruder Nennian hatte er sich kaum noch erinnern können. Cat und Rose jedoch hatte er nie vergessen. Sie hatten zu tief in seine Seele geschnitten, als daß Heilung möglich gewesen wäre; alles andere aber war verblaßt, hatte sich in eine kindliche Traum-und Phantasiewelt verwandelt. So war es jedenfalls bis vor kurzem gewesen. Dann war ihm mit jedem Tag wieder mehr eingefallen, im Schlaf und wenn er wach war. Und dann hatte er diese Dinge gesehen ... In der vergangenen Woche, im Gedränge der U-Bahn zum Beispiel. Sie hatten zusammengequetscht wie die Ölsardinen im Zug gestanden, sich gegenseitig in die Gesichter geatmet und die Ellbogen in die Rippen gestoßen. Es war eng und heiß und dennoch hatten ein paar Narren versucht, die Financial Times zu lesen. Es war lustig gewesen, sie dabei zu beobachten, wie sie sich die großen Seiten inmitten der dichten schwankenden Menschenmasse zurechtgefaltet hatten. Er selbst hatte wie immer abgeschaltet, starrte aus dem dreckigen Fenster. Schwarze Tunnel, schummrige Bahnsteige, schwarze Tunnel, schummrige Bahnsteige, und Ebbe und Flut der ein-und aussteigenden Menschen. Dann ein keilförmiges Gesicht auf der anderen Seite der Scheibe, die Augen leuchtende Schlitze, ein rötlich grinsender Mund ... Er wurde kreidebleich, und der Hals schnürte sich ihm zu. Einer der Wyrims, hier in der Stadt. Zwei, drei Fuß entfernt. Die Tür. Mit einem Knurren drängte er die neben ihm stehenden Leute beiseite, brachte drei Pendler wie aktentaschenbewehrte Dominosteine zum Stolpern und bahnte sich mit den Ellbogen seinen Weg durch die Menge. Die Türen schlossen sich. Er stürzte sich unter Schreckensrufen und Beschimpfungen nach vorne, stieß jeden zur Seite, der ihm im Weg stand, und erreichte den harten Betonboden des Bahnsteigs mehr fallend als gehend, blickte wie wahnsinnig um sich. Leute wichen vor ihm zurück. Der Zug fuhr an. Es war nicht da! Wo war es? Dann war das Gesicht lachend an ihm vorbeigeglitten,

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