Der magische Zirkel - Der Abgrund: Band 4 (German Edition)

Schüreisen war nur noch einen Zentimeter von Cassies Gesicht entfernt.
    Sie wird mich verbrennen, dachte Cassie. Sie wird mich in Brand stecken.
    » Versuch erst gar nicht, einen Zauber zu weben«, sagte Scarlett. » Ist nur verschwendete Energie. In diesem Haus funktioniert nur schwarze Magie.«
    Schwarze Magie. Das erklärte es. Das erklärte alles.
    Cassie fehlten die Worte, um das Element Wasser heraufzubeschwören, aber irgendetwas musste sie tun. Sie hatte keine andere Wahl, als sich auf das Schüreisen zu stürzen, wohl wissend, dass sie sich dabei selbst verbrennen würde. Aber es funktionierte. Sie schlug Scarlett die Waffe aus der Hand. Das Schüreisen flog quer durch den Raum und landete mit einem dumpfen Aufprall auf einem dicken, kleinen Teppich.
    Im ersten Moment war Cassie stolz und erleichtert. Im zweiten bemerkte sie, dass Scarlett nicht im Mindesten erschüttert war.
    » Gut gemacht.« Scarlett klatschte ironisch in die Hände. » Besser hätte ich es auch nicht hingekriegt.« Sie lenkte Cassies Aufmerksamkeit auf den Rauch, der von dem Teppich aufstieg, auf dem das Schüreisen lag. Eine kleine Flamme züngelte empor.
    Scarletts dunkle Augen funkelten. Mit einer einzigen Handbewegung entfachte sie ein Feuer, das sich rasch im ganzen Raum ausbreitete und Cassie wie ein Zelt aus Flammen umringte.
    Ich bin so dumm, dachte Cassie, wie konnte ich ihr nur so blind vertrauen.
    Sie duckte sich ängstlich vor den Flammen. Jetzt gab es kein Entrinnen mehr.
    » Du bist zu weit gegangen«, rief Cassie. » Du wirst zusammen mit mir verbrennen.«
    Doch Scarlett drehte sich gelassen um und schritt unversehrt durch die Flammen. » Noch was, das du nicht weißt.« Sie riss die Türen eines Schranks auf und stopfte ihre Kleider in ihre Reisetasche. » Der Feuerschutzzauber. Er war einer von Daddys Lieblingszaubern.«
    Rauch erfüllte den Raum. Er brannte Cassie in der Kehle und trieb ihr die Tränen in die Augen. Aber Scarlett schien er nichts auszumachen.
    » Nein!«, schrie Cassie und kroch über den Boden auf Scarlett zu. Doch die Flammen versperrten ihr den Weg. Gleich würden sie sie verschlingen. » Bitte, Scarlett, wir sind doch Schwestern. Bitte, tu das nicht!«
    Scarlett stand mit ihrer Reisetasche in der Hand ungerührt da. Wütende Flammen tanzten und knisterten um sie herum, schwarzer Rauch umkreiste ihren Körper wie ein finsterer Tornado. » Versuch wenigstens, mit ein wenig Würde zu sterben, Cassie.«
    Dann ließ sie ihre Tasche an Ort und Stelle fallen und trat bedächtig etwas näher. Langsam wie eine Schlange beugte sie sich herunter, um Cassie in die Augen zu schauen. » Hat unser Vater etwa um Gnade gebettelt, als du ihn getötet hast, Cassie? Ich wette, nicht.«
    Scarlett hat seine Augen, stellte Cassie fest. Diese pechschwarzen Murmeln, die so kalt waren wie der Tod. Scarlett war viel mehr seine Tochter als Cassie. Wie hatte sich Cassie nur so in ihr täuschen können?
    Und dann erinnerte sich Cassie an das Gespräch mit ihrer Mutter über Black John. Er war nicht nur schlecht.
    » Du hast die Wahl, Scarlett«, rief Cassie und versuchte, Scarletts kalten, harten Blick mit ihrem eigenen zu besänftigen. » Es ist etwas Gutes in dir, selbst jetzt. Du musst nicht so sein wie er.«
    » Ich weiß. Aber wo bliebe da der Spaß?«, fragte Scarlett und versetzte Cassie mit dem Absatz ihres schwarzen Stiefels einen Tritt.

Kapitel Achtundzwanzig
    Die Flammen tobten und knisterten, als hätte das Feuer einen eigenen bösen Willen. Aufgrund der sengenden Hitze hatte Cassie bereits Blasen auf der Haut. Sie hustete und konnte kaum mehr atmen. Sie war kurz davor, von der alles verzehrenden Macht des Feuers vernichtet zu werden. Scarlett warf ihr einen letzten Blick zu.
    » Lebe wohl, Cassie«, sagte sie. » War nett, dich kennengelernt zu haben.«
    Die lodernden Flammen schlugen Cassie ins Gesicht. So musste sich die Hölle anfühlen. Cassie würde sterben, weit weg von ihrer Mutter und ihren Freunden und von Adam. Scarlett war die Letzte, in deren Gesicht Cassie vor ihrem Tod blicken würde. Scarlett, die stärkere Tochter, die böse Schwester.
    Aber sie durfte nicht aufgeben. Sie zwang sich dazu, sich aufzurappeln, und schleppte sich so nah an Scarlett heran, wie die Flammen es zuließen. Die Werkzeuge an Scarletts Körper hatten einen dunklen, finsteren Schimmer angenommen. Black John lebt in ihr weiter, dachte Cassie.
    Aber ein Teil von ihm lebt auch in mir.
    Scarlett schien die Veränderung in Cassies