Der magische Zirkel - Der Verrat
Sirup.
Wie in Zeitlupe kämpfte Cassie sich bis zur Eingangstür durch. Drinnen wirkte die Beleuchtung im Flur schwach und nutzlos gegen das rote Licht, das alles durchdrang. W ie Taschenlampen, die im hellen Sonnenschein angeknipst wurden.
Dann entdeckte Cassie etwas, was ihren A tem stocken ließ.
Fußspuren.
Jemand hatte schmutzige A bdrücke auf dem Holzboden ihrer Großmutter hinterlassen. Halt, das war kein normaler Schmutz. Er war schwarz wie Teer und dampfte leicht, wie Urschlamm aus der Hölle. Die Spuren führten die Treppe hinauf und dann wieder herunter.
Cassie hatte A ngst weiterzugehen.
»W as ist das?«, schrie Nick und trat hinter sie. Seine Stimme klang in der dicken Luft schleppend und gedämpft. Cassie wandte sich zu ihm um. Jede Bewegung war wie in einem A lbtraum unendlich langsam und mühsam.
»K omm.« Nick zog an ihrem Ärmel. Cassie sah, dass Deborah, Laurel und Melanie inzwischen an der Haustür angelangt waren und ebenfalls wie in Zeitlupe näher kamen.
Cassie ließ sich von Nick führen. Gemeinsam kämpften sie sich die Stufen hinauf. Der rote Schein war hier oben dämmriger, die A bdrücke waren kaum noch zu erkennen. Doch im Grunde war das egal. Cassie folgte ihnen mehr aus einem Gefühl heraus, als dass sie ihren A ugen vertraute. Die Spuren führten den Flur hinunter zum Zimmer ihrer Mutter. Stumm deutete sie auf die Tür. Sie fürchtete sich zu sehr hineinzugehen.
Nick griff nach dem Türknauf und drehte ihn. Die Tür schwang langsam auf. Cassie starrte auf das leere Bett ihrer Mutter.
»N ein!« , schrie sie, und das rote Licht schien das W ort aufzunehmen und endlos in die Länge zu ziehen. Cassie vergaß ihre A ngst und rannte, so schnell sie konnte– mit Beinen wie Blei–, in die Mitte des Zimmers. Das Bettzeug war zerknautscht, jemand hatte darin geschlafen. A ber es gab keine Spur von ihrer Mutter.
Cassie sah sich voller Panik in dem verlassenen Raum um. Das Fenster war geschlossen. Der V erlust traf sie wie ein Blitzschlag und sie wurde erfüllt von schrecklicher V orahnung. Diese schwarzen, dampfenden Fußspuren führten zum Bett ihrer Mutter. Etwas war hereingekommen und hatte dort gestanden, neben ihrer schlafenden Mutter– und dann…
»K omm weiter! Nach unten!«, brüllte Nick von der Tür. Cassie drehte sich zu ihm um und schrie auf.
Die Tür wurde langsam wieder zugeschoben. In den Schatten dahinter stand eine helle, geisterhafte Gestalt.
Der zweite Schrei blieb ihr in der Kehle stecken, als die Gestalt nach vorn trat. Ein erschöpftes, bleiches Gesicht war jetzt zu erkennen und dunkles Haar, das lose über schlanke Schultern fiel. Das W esen trug ein langes weißes Nachthemd. Es war ihre Mutter.
»M om!« , schrie Cassie und sprang nach vorn und warf sich ihrer Mutter in die A rme. Gott sei Dank. Gott sei Dank, dachte sie. Jetzt würde wieder alles in Ordnung kommen. Ihre Mutter war in Sicherheit und würde sich um alles kümmern. »O h, Mom. Ich hatte solche A ngst«, keuchte sie.
Doch etwas stimmte nicht. Ihre Mutter erwiderte die Umarmung nicht. Keine A ntwort kam von dem gerade aufgerichteten, aber leblosen Körper in dem Nachthemd. Cassies Mutter stand einfach da. A ls Cassie sich ein wenig zurückzog, sah sie, dass ihre Mutter blicklos vor sich hin starrte.
»M om? Mom?«, fragte sie. Sie schüttelte die zarte weiße Gestalt. »M om! W as ist los?«
Die schönen A ugen ihrer Mutter waren leer wie die A ugen einer Puppe. Die schwarzen Schatten darunter schienen sie zu verschlucken. Ihre A rme hingen schlaff zu beiden Seiten des Körpers herab. Sie glich einem Zombie, einer wandelnden Toten.
»M om.« Cassie war den Tränen nah.
Nick stieß die Tür wieder auf. »W ir müssen hier raus«, warnte er Cassie.
Ja, dachte Cassie. Sie versuchte, sich einzureden, dass es vielleicht an der gespensterhaften Beleuchtung lag und dass die Mutter außerhalb des roten Lichts wieder normal reagieren würde. Nick und Cassie packten jeweils einen leblosen A rm und führten die widerstandslose Gestalt hinaus auf den Flur. Melanie, Laurel und Deborah kamen aus verschiedenen Richtungen heran.
»W ir haben alle Räume in diesem Stockwerk durchsucht«, sagte Melanie. »H ier ist keiner mehr.«
»M eine Großmutter…«, begann Cassie.
»H elft uns, Mrs Blake nach unten zu bringen«, unterbrach Nick sie.
Am Fuß der Treppe wandten sich die schwarzen Fußabdrücke nach links. Sie kreuzten sich und überkreuzten sich dann wieder. Cassie kam ein Gedanke.
»M
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