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Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Titel: Der Mahlstrom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Granhus
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liegen, hergerichtet wie die Puppen. Hatte der Mörder vielleicht nur die Tatsache ausgenutzt, dass diese Puppen angespült worden waren, und die Opfer verkleidet, um eine falsche Spur zu legen? Wenn ja, hatte er nicht nur die Kleider besonders ausgewählt, denn Sara Halvorsens lebloser Körper war so platziert worden, dass sie mit der Hand in eine bestimmte Richtung zeigte. Er erinnerte sich, wie er den Blick gehoben und in diese Richtung geschaut hatte, zu einer Bergkette und einem Gipfel, den Brocks »das Horn« genannt hatte. Das sagte ihm damals genauso wenig wie heute … aber vielleicht hatte Ellen Steen ja auch so dagelegen? Als Lind und er an den Tatort gekommen waren, hatten die Sanitäter schon Wiederbelebungsversuche unternommen, und es war gut möglich, dass die Unterschrift des Täters ihren Blicken auf diese Art entgangen war.
    Er meinte sich zu entsinnen, dass das alte Ehepaar Ada und Julian hieß, doch ihr Nachname war ihm entfallen. Er holte ein Telefonbuch und begann zu suchen. Bergland umfasste nur sechs Seiten, und schon eine Minute später wählte er den einzigen Julian an, der für diesen Ort eingetragen war. Ada nahm ab. Niklas stellte sich vor und fragte, ob sie beschreiben könne, in welcher Position Ellen Steen dagelegen hatte, als sie sie fand.
    »Sie lag auf dem Bauch«, sagte sie und fügte vorwurfsvoll hinzu: »Das hab ich aber alles schon erzählt.«
    »Ich weiß. Ich wollte es nur noch ein bisschen genauer wissen, vor allem, wie ihre Hände lagen. Lagen sie am Körper oder etwas ausgestreckt?«
    »Um es noch einmal zu wiederholen: Sie hatte den einen Arm ausgestreckt, als hätte sie versucht zu kriechen oder …«
    Er merkte, dass ihr das Erlebnis immer noch naheging. »Wenn ich Sie bitte, sich vorzustellen, wie sie dalag, könnten Sie dann sagen, in welche Richtung ihre Hand deutete?«
    »Mein Gott!« Sie seufzte, als wollte sie ihm zu verstehen geben, dass diese Frage wirklich besonders dumm war. »Julian! Juliaaaaaan!«
    Er befürchtete schon das Schlimmste, als ihr Mann den Hörer nahm. Doch er wiederholte seine Frage und hörte, wie sich der alte Mann murmelnd mit seiner Frau besprach. »Wie Sie merken, geht meiner Frau diese Sache immer noch sehr nahe.«
    »Das verstehe ich. Aber ich versichere Ihnen, dass ich nicht fragen würde, wenn es für die Ermittlungen nicht von Bedeutung wäre.«
    »Tja, Ada war als Erste am Tatort, aber wir sind uns einig, dass die Frau einen Arm ausgestreckt hatte.«
    »Und wo zeigte sie hin?«
    »Aber mein Guter, woher sollen wir das denn wissen?«
    »Zeigte Sie landeinwärts oder …«
    »Ja, ja, landeinwärts.«
    Er hielt den Atem an, als ihn die nächste Schmerzwelle durchlief. »Ich muss Sie um einen Gefallen bitten. Könnten Sie jetzt sofort mit mir zum Strand fahren und versuchen, mir die Richtung anzugeben?«
    »Ja, das ließe sich sicher einrichten.«
    Er hörte das Zögern des Mannes und stellte sich vor, wie er seine Frau zu überzeugen versuchte.
    »Jetzt gleich?«
    »Es muss bei Tageslicht sein. Ich hole Sie ab.«
    »Wir haben nichts Besonderes vor, also …«
    »Wo wohnen Sie?«
    »Gleich bei der Schule. Ein rotes Haus mit weißen Fenstern.«
    »Bin in zehn Minuten da.«
    »Ungefähr so.« Sie war eine Weile hin und her gestapft, als versuchte sie, intuitiv noch einmal die richtige Stelle zu finden. Schließlich blieb sie stehen und blickte auf die Berge am Horizont.
    Die Absperrung war schon lang entfernt worden, doch ein Metallstab markierte immer noch die Stelle, an der Ellen Steen gefunden worden war.
    Ada Hermansen raffte ihren Mantel hoch und ging mit der fürsorglichen Hilfe ihres Mannes in die Knie. Sie blickte eine Weile auf den Sand, bevor sie aufsah. Dann rutschte sie ein Stück weiter und wiederholte das Ritual. »Ja.« Sie nickte, als wollte sie sich selbst bestätigen, wie sicher sie sich war. »Ihr Arm zeigte in diese Richtung.«
    Niklas kniete sich neben sie und ließ seinen Blick ihrer ausgestreckten Hand folgen. »Auf den Gipfel in der Mitte?«
    Sie ließ den Arm sinken, als würde sie plötzlich von Zweifel übermannt werden. »Ich mag es nicht ganz sicher sagen, aber ich glaube schon.« Sie warf einen Blick über die Schulter. »Was meinst du, Julian?«
    Ihr Mann, dem die ganze Situation reichlich unangenehm zu sein schien, schob den Kopf vor und musterte die Bergkette eingehend. »Der mittlere Ånestind? Ich weiß nicht mehr, in welche Richtung der Arm zeigte, ich weiß nur noch, dass sie die Hand ausgestreckt hatte.

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