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Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Titel: Der Mahlstrom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Granhus
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Sache an seinen Kräften zehrte, und er konnte es nur schwer verkraften, dass sich die wenigen Anhaltspunkte, die sie hatten, plötzlich wieder in Luft auflösten. »Ich würde gern selbst mit ihr sprechen, und Sandsbakk wird wahrscheinlich mitkommen wollen.« Der Ermittler des Landeskriminalamts sollte erst in einer halben Stunde eintreffen, und Niklas ahnte, wie es Brocks gegen den Strich gehen musste zuzugeben, dass einer aus seiner Mannschaft einen Alleingang hingelegt hatte.
    »Du meinst also, dass die Puppen reine Nostalgie sind?« Lind schüttelte den Kopf. Entweder glaubte er nicht, was Heidi gesagt hatte, oder er begriff, dass der Mörder sich die Puppenkleider zunutze gemacht hatte, um die Polizei in die Irre zu führen. »Ich weiß nicht recht, was ich glauben soll, aber dass Heidi nach fünfundzwanzig Jahren plötzlich das Gefühl hat, dass demnächst die sterblichen Überreste ihrer Schwester auftauchen … also, wenn du mich fragst, ist das doch ein bisschen viel.«
    Niklas hätte das folgende Schweigen gern gebrochen, um noch einmal zu unterstreichen, dass sowohl Lilly Marie als auch Heidi glaubwürdig auf ihn gewirkt hatten, doch er ließ es bleiben. Er hatte gesagt, was er zu sagen hatte.
    »Wir müssen sie zur Vernehmung bestellen. Ich glaube, wir brauchen eine zweite Meinung, also wird sich darum jemand anders kümmern als du, Niklas.« Brocks vermied jeden Blickkontakt, was deutlich zeigte, wie sauer er darüber war, dass Niklas sich solche Freiheiten herausgenommen hatte. Oder vielleicht war er auch nur gereizt, weil Niklas’ Bericht den wenigen Theorien und Zusammenhängen, die sie bisher erarbeitet hatten, restlos den Boden unter den Füßen weggezogen hatte.
    »Ich hab so das Gefühl, dass ich momentan nicht gerade der Liebling der Truppe bin.«
    Sie tranken Kaffee in Linds Büro.
    »Wenn deine Geschichte sich als stichhaltig herausstellt, kannst du das ganz schnell noch werden.«
    »Aber?« Niklas ahnte, dass Lind zu den Skeptikern gehörte.
    »Die Geschichte von Edmund und Andrea kann ich so glauben, die meisten von uns haben ja selbst mitbekommen, was da passierte. Aber Heidis überentwickelte Fähigkeiten bezweifle ich doch eher.«
    »Sie wirkte nicht im Entferntesten so beschränkt, wie ihr alle glauben wollt.«
    »Ich hätte ihre Erzählung eher als Bestätigung für ihre geistige Beschränktheit gesehen, aber bitte …« Lind hob beschwichtigend die Hand, um zu signalisieren, dass er für alle Alternativen offen war, auch wenn sein Gesichtsausdruck das Gegenteil besagte.
    »Ich weiß nicht.« Niklas hielt die Luft an, als seine Eingeweide sich in einer neuen Krampfwelle zusammenzogen. »Ich hatte vom ersten Tag an das Gefühl, dass wir uns in die falsche Richtung orientieren. Dass bei diesem Fall alles anders ist, als es auf den ersten Blick scheint.«
    »Was ist los mit dir, Niklas?« Lind setzte die Kaffeetasse ab und machte eine rasche Bewegung, als hätte ihn ein plötzlicher Juckreiz befallen.
    »Ich glaub, ich hab mir irgendein Virus eingefangen. Ich hab solche Bauchschmerzen.«
    »Du bist kreideweiß. Nimm dir den Rest des Tages lieber frei, ich werde Brocks sagen, wie schlecht du aussiehst.«
    »Danke für das Kompliment.«
    »Meine Liebenswürdigkeit kennt eben keine Grenzen.«
    Erst schlug er Linds Angebot aus, aber da das Bauchweh anhielt, trat Niklas eine halbe Stunde später tatsächlich den Rückzug an. Als er nach Hause kam, fand er ein leeres Haus vor. Offenbar war Karianne wieder von der Bank angerufen worden. Dank eines grotesken Verbrechens.
    Die Schmerzen kamen jetzt in regelmäßigen Abständen, waren aber nicht mehr so heftig. Er lag auf dem Sofa und starrte den Luchs an. Noch immer kam es ihm absurd vor, dass er den Zahnstocher zur Analyse eingeschickt hatte, und auch noch ohne Brocks’ Wissen. Wenn Karianne das jemals erfuhr, würde sie ihn garantiert für vollkommen durchgedreht halten.
    Seine Gedanken kreisten weiter um die Geschehnisse der letzten Tage, mit der ständig wachsenden Gewissheit, dass er irgendetwas übersehen hatte. Er versuchte, die Dinge noch einmal der Reihe nach durchzugehen, angefangen vom Auffinden der verletzten Ellen Steen bis hin zur verzagten Heidi. Immer wieder stellte er sich die Szenen bildlich vor, und er wurde immer sicherer, dass die Antwort in dem lag, was man mit bloßem Auge nicht sehen konnte, und dass sie es mittlerweile nicht mehr erkannten, weil sie schon so lange draufgestarrt hatten. Er sah die verletzten Frauen im Sand

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