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Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Titel: Der Mahlstrom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Granhus
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befiel ihn Panik. Umso erleichterter stellte er fest, dass der alte Volvo des Kommissars aus Bodø vor dem Haus vorfuhr.
    »Kommen Sie rein«, sagte er und faltete die Karte zusammen.
    Rino steckte den Kopf durch die Tür. »Sie sind aber gern zu Hause, was?«
    Wieder fand Niklas es bemerkenswert, wie wenig diese zerstrubbelte Erscheinung an einen Polizisten erinnerte. Sein Haar lag immer noch so, als wäre er gerade aus dem Bett gekommen: auf der einen Seite flach an den Kopf gedrückt, während sich auf der anderen Seite wilde Büschel sträubten. Der wochenlang nicht mehr rasierte Bart hatte jede ästhetische Grenze überschritten, und die Jeansjacke wirkte sowohl für die Jahreszeit als auch für dieses Jahrhundert lächerlich.
    »Bin nicht ganz in Form.«
    »Ich wollte nur kurz auf Wiedersehen sagen.«
    »Haben Sie die Antworten gefunden, nach denen Sie gesucht haben?«
    Rino, der immer noch am Türrahmen lehnte, zog eine Grimasse, die nur mäßige Zufriedenheit ausdrückte. »Ich weiß nicht so recht, was ich da sehe, aber irgendwie beginnt sich langsam so eine Art Bild vor mir abzuzeichnen, doch. Ich habe zumindest ein paar Antworten bekommen. Zum Beispiel, dass Ingeborg, von der Sie dieses Haus gemietet haben, Evens Schwester ist. Vielleicht wollte sie deswegen, dass der Keller abgesperrt bleibt. Sie wusste, was dort unten passiert ist, wahrscheinlich hatte sie es selbst zu spüren bekommen.«
    So musste es sein. Ein dunkles Kapitel ihres Lebens, das sie einfach abschließen wollte. Oder vielleicht hatte ja auch Even darauf bestanden? Denn sie hatte lange gezögert, bis sie sich darauf einließ, dass Niklas und Karianne den Keller benutzen durften, wenn auch nur, um ein paar Dinge unterzustellen. »Gewalt erzeugt neue Gewalt«, sagte er.
    »Das auch. Aber ich glaube, dass Even der Abwesenheit eines biologischen Vaters die Schuld für das gab, was mit ihm geschah. Seine Mutter starb nach einem … sagen wir mal, nach einem höchst dubiosen Unfall, und ihr Sohn wurde nur wenige Stunden vor ihrem Tod auf die Welt geholt. Es gibt anscheinend keinen Menschen, der weiß, wer der Vater ist, und so landet Even beim Sadisten Lorents. Ich glaube, der Junge hatte einfach den größten Hass auf seinen tatsächlichen Vater, der sich nie meldete, der seinen Sohn geradewegs in diese Hölle marschieren ließ. Dass er später eine Ausbildung für die Jugendarbeit machte, war wohl kaum Zufall.« Rino stellte ein Bein vor das andere und ließ seinen Holzclog von der Fußspitze baumeln. »Ich glaube, deswegen erteilt er jetzt Lektionen der brutalsten Art und lässt gleichgültige Väter dasselbe erleiden, was er ertragen musste.«
    »Ein Rächer mit sympathischen Zügen sozusagen?«
    »Ich finde, die Grenze hat er schon überschritten. Ich habe gerade erfahren, dass seinem letzten Opfer der Arm amputiert werden muss.«
    »Du liebe Güte!«
    »Erlösung gibt es nicht, weder in der Kindheit des Jungen, aber auch nicht in der Gnade, die er heute bei seinen Taten walten lässt.«
    Niklas drehte sich auf dem Stuhl herum. »Sie haben gesagt, es sei ein dubioser Unfall gewesen?«
    In dem Moment klingelte das Handy. Er sah Kariannes Nummer, und seine Gedanken überschlugen sich, aber er konnte sie nicht sortieren, bevor er antwortete.
    »Hallo, ich bin’s!« Sie wirkte glücklich und fröhlich. »Wie geht’s dir?«
    »Ich hab mir wohl irgendein Virus eingefangen.«
    »Geht es dir immer noch so schlecht?«
    »Ich glaube, langsam wird es besser.«
    »Ich wollte nur sagen, dass das Krankenhaus angerufen hat.« Sie hielt kurz inne. »Die Merkmale unserer Gewebeproben stimmen überein. Du kannst eine Niere spenden.«
    Er hörte die Worte und registrierte auch ihre Bedeutung, aber es fühlte sich an, als würde ihm der Augenblick entgleiten, als würde seine Umgebung in einen schmalen Tunnel eingesaugt werden und vor seinen Augen verschwinden. »Prima«, hörte er sich antworten, doch mit einem Ton, der verriet, dass seine Freude gespielt war.
    »Ich verstehe dich gut, Niklas. Mir graust es auch, aber ich habe keine Wahl.«
    »Es graust mir doch gar nicht …«
    Sie lachte. »Jedes Mal, wenn wir davon reden, bist du auf einmal ganz seltsam und weit weg. Du musst mir nichts vorspielen. Niemand macht so was, ohne einen Hauch von Unbehagen zu spüren. Immerhin ist es ein schwerer Eingriff.«
    Eingriff. Ihm wurde wieder schlecht. »Wann … wann glaubst du, wird das aktuell?«
    Neues Gelächter. Sie lachte ihn nicht aus, sie lachte, weil sie so

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