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Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Titel: Der Mahlstrom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Granhus
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abgelegt?«
    Einen Augenblick war der Mann völlig verdattert darüber, dass der Polizist davon wusste. »Acht verdammte Strichmännchen hat er an die Wand geklebt.«
    »Hat Ihnen das Bild irgendwas gesagt?«
    »Gesagt?«
    »Er fesselt Ihre Arme an einen Heizstrahler und lässt Sie mit einer Strichmännchenzeichnung vor der Nase sitzen. Sie müssen sich doch gedacht haben, dass diese Zeichnung irgendeinen Sinn haben muss.«
    »Sinn …« Das Lachen ging fast schon in Weinen über.
    »Gar nichts?«
    Er zog wieder eine Grimasse, dann ging die Tür auf, und die Krankenschwester kam herein. »Wir sind dann fertig zum Transport.«
    Rino hob einen Finger, doch die Schwester übersah die Andeutung und bedeutete ihm demonstrativ, dass er jetzt zu gehen hatte. Er ließ den Finger sinken und stand auf. »In nächster Zeit wird ein Kollege von der Polizei Bergen Kontakt mit Ihnen aufnehmen. Sollte Ihnen in der Zwischenzeit noch etwas einfallen …«
    Die Krankenschwester setzte sich mit dem Rücken zum Kommissar auf den Hocker und machte sich am Verband zu schaffen.
    »Er hatte Gummihandschuhe an. Entweder Gummihandschuhe oder irgend so einen Taucheranzug.«
    Der Amundsen-Kai war eine Anlage aus den Nachkriegsjahren mit fünf Anlegern auf drei Ebenen – drei davon waren gerade renoviert worden, während von den heruntergekommenen anderen beiden die orange Farbe abblätterte. Auf dem Kai saßen zwei Arbeiter, die sich an senkrecht aufgestellte Fischkisten lehnten. Die Männer, die Selma für Hafenarbeiter gehalten hatte, waren wohl eher die Schreiner, die mit der Aufgabe betraut waren, die alten Gebäude wieder zum Leben zu erwecken. Die ganze Anlage sah so aus, als sollte sie noch die Stürme des Jüngsten Gerichts überstehen, mit soliden Pfählen so dick wie Ölfässer und einem Deck, das noch ein paar Jahrhunderte so überdauern würde, bevor es verrottete. Ein paar kleine Kutter lagen hier vor Anker, doch der neue Besitzer hatte sich offenbar vorgenommen, die Fischverarbeitung wieder stärker zu fördern.
    Einer der Schreiner stand auf, als Rino sich dem Kai näherte, und rückte seinen Werkzeuggürtel zurecht, wahrscheinlich damit er wusste, wohin mit seinen Händen. Der Schock hatte die Arbeitsmoral wohl etwas gedämpft, oder vielleicht hatte Selma sie auch gebeten, ruhig zu bleiben, bis ein Polizist auftauchte.
    »Herr Welle?«
    »Das bin ich.« Der Schreiner, der Sommersprossen und rostrote Haare hatte wie ein waschechter Ire, vergewisserte sich noch einmal, dass sein Hammer noch hing, wo er hingehörte, bevor er Rino zögernd die Hand reichte.
    »Sie haben also den Verletzten gefunden?«
    »In einem der Keller hier.«
    »Sie führen hier Renovierungsarbeiten durch, oder?«
    »Wir sind demnächst mit dem dritten Anleger fertig. Ich hab die Schreie gehört.«
    »Wann war das?«
    Der Schreiner warf einen raschen Blick zu seinem Kollegen. »Wir fangen immer um acht an. Ich war etwas früher da. Vielleicht so zehn vor.«
    Rino sah sich um. Das nächste Gebäude lag hundert Meter entfernt, ebenfalls ein Anlegerkomplex. »Können Sie mir den Weg zeigen?«
    Der Schreiner steuerte einen der verfallenen Anleger an, schob eine Tür auf, die schief in den Angeln hing, und ließ den Polizisten zuerst eintreten. Es roch nach altem Keller, gemischt mit einem Hauch von versengtem Fleisch. Abgesehen von einem Stapel verschiedener Baumaterialien und ungefähr zehn Fischkisten war diese Ebene leer.
    »Hier unten ist es.« Eine Luke im Boden stand offen, und als sie die Treppe hinuntergingen, verstärkte sich der Geruch. Der Keller, dessen Deckenhöhe eher für Bucklige ausgelegt schien, war mit grobem Holz verkleidet, der Zementboden trug Spuren von den Wasserschäden der Vergangenheit. Der Rothaarige ging weiter zu einer angelehnten Tür und betrat den angrenzenden Raum. Hier schlug ihnen der Geruch ungehindert entgegen. Als Erstes bemerkte Rino, dass das Holz an den Wänden geschwärzt war, als hätte das ganze Zimmer gebrannt. Dann sah er den Radiator, ein Relikt der siebziger Jahre, der seine Wärme durch rotglühende Heizspiralen schickte. Sein Großvater hatte ein nahezu identisches Gerät gehabt, und als kleiner Junge hatte Rino beim Spielen gern die Füße davorgehalten. Doch das hatte er nie länger als ein paar Sekunden ausgehalten. Der Heizstrahler war an ein Rohr montiert, das quer durch den Raum verlief. Auf dem Boden lagen Stückchen von etwas, das aussah wie bräunlich angesengter Stahldraht.
    »Ich hab ihn

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