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Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Titel: Der Mahlstrom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Granhus
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die Zahnlosen und Besoffenen dieser Stadt. Teilzeitangestellter und verschuldet bis über beide Ohren, was wohl bedeutet, dass er regelmäßig auf dem Sozialamt ist. Weder beliebt noch unbeliebt, wie es aussieht. Eine kleine graue Persönlichkeit, die sich ihrer Umgebung anpasst. Hat ein Kind – das selbstverständlich bei der Mutter wohnt.«
    »Selbstverständlich?«
    »Ich hab die Fassade von seinem Unterschlupf gesehen, und ich hab auch die Bewohner gesehen.«
    »Wo ist die Wohnung?«
    »In Langstranda.«
    »Wo genau?«
    »Gegenüber vom Widerøe-Kai. Ich hab mit drei Nachbarn gesprochen. Keiner hat was bemerkt.«
    »Das hab ich irgendwie geahnt.«
    »Jupp. Diesmal kriegen wir wirklich überhaupt nichts geschenkt.«
    »Okay. Ich muss den Tatort jetzt absperren lassen, obwohl hier natürlich schon Schreiner und Notärzte rumgetrampelt sind.«
    »By the way – dieses Kokosdings in deiner obersten Schublade …«
    »Iss es auf, in Gottes Namen«
    Er drehte sich um und betrachtete den Tatort noch einmal.
    Verrußte Wände, Boden mit Wasserflecken.
    Beklemmend.
    Ein Heizstrahler, der zur Mordwaffe umfunktioniert worden war.
    Sich selbst und einem langsamen, qualvollen Tod überlassen.
    Hier ging es definitiv um Hass.
    Er war schon halb die Treppe hoch, als das Telefon nochmals klingelte. Diesmal war Richard Nordmo dran, Anwalt und Freund der eher peripheren Art.
    »Hier ist Richard. Ich rufe an wegen deiner Frage zu diesem Ausdruck – ›jus talos‹ …«
    Das hatte er schon ganz vergessen. Als er Richard anrief, war dem Anwalt auf Anhieb nichts dazu eingefallen, aber er hatte ihm versprochen, noch einmal nachzuschlagen.
    »… das soll wohl eher ›jus talionis‹ heißen.«
    »Ich versteh bloß Bahnhof.«
    »Ich hab rausgefunden, was es bedeutet.«
    »Und zwar?«
    »Sieht so aus, als hättest du es da mit einem Rächer zu tun.«

6
Bergland
    »Mir ist erst jetzt klar geworden, dass ich Bergland vermisst habe.« Karianne Hultin saß neben ihrem Mann und hatte den Blick auf den Horizont geheftet. Der leichte Wind, der für die Jahreszeit ungewöhnlich mild war, blies ihr Haarsträhnen ins Gesicht, doch sie schien es gar nicht zu bemerken. Wahrscheinlich hatte es sie die ganze Zeit in den Norden und die Natur hier gezogen. Sie hatte wieder Farbe auf den Wangen – keine glühende Frische, eher ein blassroter Schimmer, als ließe sich die Krankheit nicht verbergen.
    »Allmählich verstehe ich schon, dass man einen Ort wie diesen vermissen kann.« Niklas lächelte sie neckend an.
    Sie saßen auf einem Hügelkamm, schräg vor dem Haus, das sie in der Eile gemietet hatten, ein gelber Bau aus der Vorkriegszeit. Es hatte schon ein paar Jahre leer gestanden, was man ihm deutlich ansah. Sie wollten sich auf jeden Fall rasch etwas Neues suchen, sobald sich die Gelegenheit bot.
    In all den Jahren hatten gutmütige Sticheleien zu ihrem ganz normalen Umgangston gehört, aber seit einiger Zeit hatte sie keinen Sinn mehr für ihre alten Kabbeleien. Es hatte ein paar Monate vor ihrem Umzug begonnen, als ihr erst ein Knöchel anschwoll. Sie selbst tat es zunächst als unbedeutend ab, doch es war nicht zu übersehen, dass sie sich Sorgen machte. Inzwischen waren auch der andere Knöchel und ein paar Finger geschwollen. Er versuchte, den Wetterumschwüngen die Schuld zu geben, dem Wechsel von Hoch- zu Tiefdruckgebieten, die die Flüssigkeiten im Körper durcheinanderbrachten. Doch ihr Lächeln zeigte eher, dass sie ihm dankbar war für seinen Versuch, die Sache herunterzuspielen, als dass es wirklich etwas genutzt hätte.
    »Vielleicht sollten wir einfach hierherkommen. Egal, was ihm fehlt, wenn ihm den überhaupt etwas fehlt – ich glaube, er braucht mich hier.«
    Sie sprach von ihrem Vater, der in den letzten Monaten immer wieder gekränkelt hatte und kaum noch seinen bequemen Sessel verlassen konnte. Es hatte mit diffusen Magenschmerzen begonnen, um sich dann wie ein böser Virus über den restlichen Körper auszubreiten. Doch eine Ursache hatte man bis jetzt nicht nachweisen können. Niklas vermutete, dass diese Kränklichkeit auf jahrelange Sehnsucht nach Karianne zurückzuführen war. Sie glaubte es auch, wiederholte aber immer, dass es ihm so gar nicht ähnlich sah, nachdem er ein Leben lang selbst die Last der Welt geschultert hatte. Vielleicht gerade deswegen.
    »Es sieht so aus, als würde das ganze Dorf die Hjemmet lesen.« Sie zog die Beine an und umfasste die Knie. »Alle reden von dieser Reportage.«
    »Vergiss nicht,

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