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Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Titel: Der Mahlstrom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Granhus
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jenes auszuschließen.«
    »Und soll ich das hier als offizielles Verhör betrachten? So mitten auf dem Flur?«
    »Sie wollten mich ja nicht hereinbitten. Und nein, Sie sollen das hier nicht als offizielles Verhör betrachten.«
    Haarstad schien sich wieder unter Kontrolle zu haben. »Gerade Sie sollten wissen, dass meine Arbeit eine Schweigepflicht mit sich bringt.«
    »Schweigen ist Gold. Aber nicht immer. Tja, entschuldigen Sie die Störung. Schönen Spaziergang wünsche ich dann.«
    Haarstad starrte ihn an wie ein Fragezeichen.
    »Sie waren doch auf dem Sprung, oder?«
    Eine halbe Stunde später hatte er sowohl mit Thomas als auch einem Kollegen von der Bergener Polizei gesprochen. Beide erklärten sich bereit, ihre Sonntagsruhe zu opfern, und Letzterer rief als Erster zurück.
    »Das ging ja schnell«, sagte Rino, der weniger als eine Viertelstunde gewartet hatte.
    »Die Wachhabende hat sofort nachgesehen. Vielleicht weil wir hier die letzten Tage mehr oder weniger gewohnt haben.«
    »Und was hat sie rausgefunden?«
    »Sie bestätigt Ihre Annahmen. Even Haarstad war als Zwölfjähriger im Krankenhaus Haukeland, genauer gesagt 1995. Verbrennungen dritten Grades am rechten Unterarm.«
    Rino, der den Mitarbeiter des Jugendamtes älter geschätzt hätte, spürte ein Prickeln am Rücken, als er sich bestätigt sah. »Gab es Angaben zu den Ursachen?«
    »Das ist das Komische an der Geschichte. Ein Unfall mit einer Lötlampe. Der Junge behauptete, er hätte gerade seine Ski imprägniert, als sein Arm plötzlich Feuer fing.«
    »Mit anderen Worten, er hat seinen Arm also selbst gebraten?«
    »Er sagte, er hätte vorher mit einem Lösungsmittel alte Wachsspuren entfernt. Das sind natürlich alles sehr feuergefährliche Substanzen.«
    »Sonst nichts?«
    »Das war die Geschichte in groben Zügen, aber der operierende Arzt hat festgehalten, dass er die Angaben des Jungen anzweifelt.«
    »Und Ottemo? Können sie seine Arme retten?«
    »Nach dem, was ich zuletzt gehört habe, wird eine Amputation wohl unausweichlich sein.«
    Ein paar Sekunden später rief Thomas an. »Verdammt noch mal!«
    »Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für Flüche«, erwiderte Rino trocken.
    »Und auch nicht für Lügen und Manipulation. Ich habe einen treuen Arbeiter mehr oder weniger angelogen, damit er für uns nachschaut.«
    »So ein kleiner Schwindel schadet keinem.«
    »Diese Lüge lag wohl eher irgendwo zwischen Grau und Schwarz.«
    »Was hast du rausgefunden?«
    »Even Haarstad hat keine Kinder.«
    »Okay. Das muss aber auch noch nicht viel bedeuten. Was sonst noch?«
    »Er ist vor acht Jahren hergezogen, wahrscheinlich um an der Hochschule anzufangen. Seit ungefähr fünf Jahren ist er beim Jugendamt angestellt.«
    »Woher kommt er?«
    »Aus Bergland. Irgendein Dorf im Norden.«

21
Bergland
    Niklas Hultin parkte vor dem Haus, das er ungern als Zuhause bezeichnete, mit dem sie aber vorliebnehmen mussten, bis sich etwas Besseres ergab. Es war fast acht Uhr. Die Ermittler des Landeskriminalamts hatten die Regie übernommen, und Brocks hatte Lind und Bøe losgeschickt, damit sie von Tür zu Tür gingen und die Nachbarn des Opfers befragten. Er selbst wollte der Tochter die Todesnachricht überbringen. Hultin wurde nach Hause geschickt, weil Brocks es für nötig hielt, dass sie sich alle auch mal wieder erholen konnten. Dafür sollte Niklas am nächsten Tag als Erster anfangen.
    Der Geruch von Malerfarbe schlug ihm entgegen, als er die Haustür öffnete, und tatsächlich fand er Karianne in der Küche, wo sie gerade die Fensterrahmen strich. Auf dem Boden lag ein Malerspatel in einem Haufen abgeschabter Farbe. »Ich mache nur das Beste aus dem Elend«, sagte sie, ohne den Blick von ihrem Pinsel zu nehmen, den sie mit fester Hand am Rand der Glasscheibe entlangführte. Er musste einfach lächeln. Karianne sah in allem Herausforderungen, die es zu meistern galt. Reinhard hatte ihm einmal zugeflüstert, dass die Jahre ihrer Krankheit einen übertriebenen Drang zur Selbstständigkeit in ihr hervorgebracht hatten, und ihn darauf vorbereitet, dass in ihrem Heim sie diejenige sein würde, die die Malerhosen anhatte. »Da wir nun mal nichts Besseres finden«, fügte sie mit neckendem Unterton hinzu. Der Zustand des Hauses setzte ihr mehr zu als ihm. Verständlicherweise, sie war ja auch von morgens bis abends zu Hause. »Ich hab dir das Essen warmgestellt.«
    Sie aßen zusammen – besser gesagt, er aß, und sie stocherte auf ihrem Teller herum.

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