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Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Titel: Der Mahlstrom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Granhus
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»Geht es dir gut?«, fragte er, obwohl er sie selten blasser gesehen hatte und einen Geruch wahrnahm, bei dem ihm das Essen schwerfiel.
    »Niklas«, sagte sie, ohne den Blick vom Tisch zu nehmen.
    »Ja?«
    »Liebst du mich?«
    Er schluckte. »Natürlich.«
    »So sehr, dass … du einen Teil von dir weggeben würdest?« Sie legte die Hand, mit der sie die Gabel immer noch fest umklammerte, an die Stirn, und ihr Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, als sie zu weinen begann.
    »Das würde ich.« Er hörte, dass die Stimme nicht wie seine klang.
    »Ich glaube, dass … ich einen neuen Spender brauche, und wenn …«
    »Ich werde es machen.« Übelkeit überkam ihn, und er spürte einen stechenden Schmerz unter den Rippen, als würde sich seine Niere schon jetzt vor Angst zusammenkrampfen angesichts dessen, was sie erwartete.
    »Es ist nicht gesagt, dass die Merkmale unserer Gewebeproben übereinstimmen, es kann auch gut sein, dass ich wieder auf die Warteliste komme.«
    Er hasste sich selbst dafür, dass eine Hoffnung in ihm aufkeimte. Als er seine Hand auf ihre legte, spürte er ihren kalten Schweiß. Diese Wolke hatte schon eine geraume Weile über ihnen gehangen, aber jetzt war es zum ersten Mal ausgesprochen worden, zum ersten Mal hatte sie ihn direkt gefragt.
    »Okay. Dann reden wir jetzt nicht mehr davon.« Sie trocknete sich Tränen und Rotz am Hemdsärmel ab – ein altes Hemd von ihm, das schon über und über mit Farbe bekleckert war. »Hier passiert aber auch alles auf einmal. Du armer Mann, du musst Bergland ja jetzt gründlich satthaben.«
    Er hatte sie vorher schon angerufen und von der ermordet aufgefundenen Frau erzählt.
    »Das Ganze hat so was krankhaft Kontrolliertes.«
    »Inwiefern?«
    »Meistens wird im Affekt getötet, nur in wenigen Fällen ist es wirklich ein geplanter Mord. Dieser gehört definitiv in die letzte Kategorie, hat aber trotzdem eine ganz andere Dimension als alles andere, was mir bisher untergekommen ist. Als wäre der ganze Ort plötzlich ein riesiges Puppenhaus, in dem einer ganz nach eigenem Gutdünken Szenen schafft oder Figuren herausnimmt. Wir tappen im Dunkeln seit dem ersten Tag, so sieht es aus.«
    »Setzt du immer noch auf die Puppen?«
    »Die Antwort liegt in den Puppen, auf jeden Fall.«
    »Aber die sind doch schon so alt.«
    »Alte Puppen, alte Sünden.«
    Sie schwiegen. Er hielt immer noch ihre Hand.
    »Irgendjemand ist auf der Suche. Und ist zu einer letzten Reise aufgebrochen.«
    Sie sah ihn fragend an.
    »Das waren die Worte der Frau, die die Puppen gefunden hat. Da steckt etwas dahinter.«
    »Aber auf der Suche wonach?«
    »Das ist die Frage. Ich weiß es nicht.«
    »Es könnte doch auch sein, dass diese Puppen euch auf eine falsche Fährte lenken sollen …«
    Er schüttelte den Kopf. »Die Flöße waren hervorragende Handarbeit. Die Puppen haben etwas zu bedeuten.«
    »Woran denkst du?«, fragte sie, als er seinen Gedanken nachhing.
    »An die Schwester des Wanderers. Ich hab so das Gefühl, dass diese Geschichte mit dem Tag ihres Verschwindens begann.«
    Sie legte den Kopf schräg, um zu signalisieren, dass sie ihm nicht ganz folgen konnte.
    »Er hat die Puppen wiedererkannt, Karianne. Konrad hat jede einzelne wiedererkannt.«
    Eine Dreiviertelstunde später parkte er vor dem Haus des Wanderers. Eine dünne Rauchsäule stieg aus dem Schornstein und wurde vom Wind abgelenkt. Der Geruch von verbrannter Kohle schlug ihm entgegen, als er die Autotür öffnete. Der Spaten lehnte an der Wand. Am Schaft klebten noch die eingetrockneten Reste der heutigen Grabungsarbeiten. Direkt daneben stand eine Hacke, die wahrscheinlich für den morgigen Tag gedacht war, denn sie zeigte keine Gebrauchsspuren.
    Er machte die Tür auf und trat ein. Der Gestank von altem Schweiß schlug ihm entgegen. Niklas blieb stehen und lauschte. Konnte es sein, dass der Wanderer sich hingelegt hatte? Ein Mann, der kaum etwas anderes tat, als den ganzen Tag Erde umzugraben, musste am Abend ja einfach müde sein. Niklas sah auf die Uhr. Halb zehn. Er klopfte an die Tür zum Wohnzimmer. Die Stille klang irgendwie falsch, und irgendetwas sagte ihm, dass der Wanderer abwartend auf der anderen Seite der Tür stand. Er klopfte erneut und hörte ein gedämpftes Geräusch, als hätte jemand sein Körpergewicht von einer Diele auf eine andere verlagert. Als er gerade einen neuen Anlauf nehmen wollte, ging die Tür auf. Der Wanderer starrte ihn durch einen schmalen Türspalt an. Sein Blick war nahezu

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