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Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Titel: Der Mahlstrom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Granhus
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Höflichkeit. Tatsächlich war die Hand, die er Rino reichte, von Narben entstellt, vom Handrücken bis zum Ärmel. Als könnte der Mann seine Gedanken lesen, zog er rasch die Hand zurück, bevor er sich gegen den Türrahmen lehnte. »Worum geht’s?« Seine Stimme verriet, dass er auf der Hut war, und seine Hand versteckte er mit einer gekünstelten Geste hinter dem Rücken.
    »Ich bin Rino Carlsen.« Er hatte die Uniformjacke über die Schulter geworfen und nahm sie nun herunter, so dass man seine Dienstmarke sehen konnte. »Ich habe neulich mal bei Ihnen im Büro vorbeigeschaut …«
    Einen Augenblick glaubte Rino, den Fight-or-flight-Reflex in den Augen des Mannes aufflackern zu sehen, doch dann gelang es Haarstad doch noch, eine neutrale Maske aufzusetzen.
    »Es geht um diese Fälle von Körperverletzung …« Er ließ die Fortsetzung bewusst in der Luft hängen. »Der Grund, warum ich das Sozialamt aufgesucht hatte, beziehungsweise das Jugendamt, war der, dass die Spuren in diese Richtung führen.«
    Haarstad blieb immer noch stumm.
    »Könnten wir das Gespräch vielleicht drinnen fortsetzen?«
    »Ich war gerade auf dem Sprung. Wenn ich also nicht verdächtigt werde …« Haarstad versuchte es mit einem Grinsen.
    »Renate Øverlid und Vigdis Zakariassen haben beide Tränen in Ihrem Büro vergossen.«
    »Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Sowohl Tommy als auch Christer litten darunter, dass ihre Väter nicht für sie da waren. Und wir haben klare Hinweise darauf, dass der Täter diese Jungen rächt.«
    Haarstads Blick verhärtete sich. »Wenn Sie auf Verbrecherjagd sind, sollten Sie Ihren Blick wohl in eine andere Richtung lenken.«
    Rino setzte seinen gespielt fragenden Gesichtsausdruck auf.
    »Und was als Verbrechen gilt, ist natürlich eine Definitionsfrage. Sie als Polizist sollten das wissen.«
    Rino wurde immer sicherer, dass er den richtigen Mann gefunden hatte. Wahrscheinlich hatte Even Haarstad sie alle in seinen Karteien, sowohl die Opfer als auch ihre missachteten Kinder. Selten war sein Bauchgefühl stärker gewesen als in diesem Moment. Und deswegen war er auch hier, denn er hätte sich niemals träumen lassen, dass jemand, der über längere Zeit hinweg so genaue Pläne geschmiedet und in die Tat umgesetzt hatte, sofort zusammenbrechen und gestehen würde, sobald er witterte, dass man ihm auf die Spur kam.
    »Ihre rechte Hand …« Rino deutete mit einer Kopfbewegung auf die Hand, die der Mann immer noch auf dem Rücken hielt. »… ist das eine alte Verbrennung?«
    »Das wird mir langsam zu unschön. Ich schlage vor, wir beenden das Gespräch jetzt.« Haarstad trat einen Schritt zurück und schickte sich an, die Tür abzuschließen.
    »Die Alternative wäre dann eben, dass wir bei Ihnen im Büro vorbeikommen. Wir können leider nicht die Augen davor verschließen, dass alle Spuren zu Ihrem Arbeitsplatz führen.«
    »Wie gesagt, ich wollte gerade los, ich bin schon spät dran.«
    »Entweder zwei Minuten hier oder zwanzig Minuten an Ihrem Arbeitsplatz. Wählen Sie selbst.« Rino setzte sein geübtes Lächeln auf. »Gut. Ich habe das Gefühl, dass Ihre Hand Sie in Verlegenheit bringt, und das war auch schon so, als ich Sie neulich im Amt kurz gesprochen habe. Sie haben sich die Arme mit Papieren beladen, bevor wir einander vorgestellt wurden, und ich glaube, dass Sie damit einen Händedruck vermeiden wollten. Und die Art, wie Sie diese Papiere trugen – so dass sie die Hand verdeckten, wie jetzt auch –, brachte
mich zum Nachdenken, warum Sie das wohl gemacht hatten. Wir leben in einer Zeit, in der nichts unnormal ist, in der die Leute ihre Gebrechen mit der größten Selbstverständlichkeit offen zeigen. Und eine Verbrennung wie Ihre – entschuldigen Sie, wenn ich das so sage, aber die ist wirklich nicht der Rede wert, und ich glaube, dass Ihre … nennen wir es mal Verlegenheit, ein Resultat dieser Misshandlungsfälle ist. Es ist bekannt, dass der Täter seinem zweiten Opfer schwere Verbrennungen gerade an der rechten Hand zufügte.«
    »Was wollen Sie eigentlich andeuten?«
    »Ich zähle hier nur unbestreitbare Tatsachen auf. Wir wissen, dass derjenige, der hinter diesen Untaten steckt, die Kinder der Opfer rächt, und wenn ein Angestellter des Sozialamts mit einer Verbrennung herumläuft, die er tunlichst vor uns verbergen will, da stutzt man natürlich. Mit anderen Worten: Ich deute gar nichts an. Nennen Sie es einfach Ausschlussverfahren; wir arbeiten oft so. Ich bin also dabei, dieses oder

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