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Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Titel: Der Mahlstrom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Granhus
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ihm, dass hier die Opferbereitschaft zum Kontrollzwang geworden war, und wo man ihn früher noch hätte verteidigen können, konnte man ihn jetzt nicht mehr in Schutz nehmen. Die Geschichte, wie er seinen Einfluss geltend gemacht hatte, um ihr einen Platz an der Handelsschule zu verschaffen, war unschuldig und rührend, und wahrscheinlich hatte es ihn nicht mal allzu viel Überredungskünste gekostet. Alle haben Mitleid mit einem schwerkranken Kind. Doch Reinhard konnte nicht loslassen, auch nicht, als Karianne gesund und erwachsen war. Broschüren, in denen ihr Heimatort angepriesen wurde, Anrufer, die ihr ein passendes Haus zum Kauf anboten, und die Annonce mit der freien Stelle im Polizeipräsidium – das alles war Reinhards Werk. Vielleicht auch seine plötzliche Erkrankung. Eine letzte krampfhafte Zuckung, um die Tochter in den Norden zu locken, und je mehr es so aussah, als würden sie hierbleiben, umso mehr besserte sich sein Zustand. Es war kein schöner Gedanke, und vielleicht tat er Reinhard sogar Unrecht. Trotzdem nagte die positive Nachricht an ihm – sie passte einfach gar zu gut in seine Theorie.
    Im Laufe des Tages hatte er mehrfach mit Lind telefoniert und sich das Neueste von Ellen Steen berichten lassen, die leider doch noch keine Anstalten machte aufzuwachen. Die Theorie mit dem Tier hatte freilich neue Nahrung erhalten, obwohl sie nicht besonders logisch klang. Denn ein Raubtier mit Klauen solcher Größe hätte sich niemals damit zufriedengegeben, sie testweise anzuritzen, um sich dann wieder zurückzuziehen. Also herrschte die Auffassung, dass die Kratzer die Unterschrift des Täters waren. Auch Niklas teilte diese Theorie, obwohl sie ihn letztlich nicht ganz befriedigte. Denn Konrad hatte das Tier ja ganz deutlich gehört.
    Er konnte den Gedanken nicht abschütteln, dass das Tier irgendeinen Platz in diesen grausamen Geschehnissen hatte. Da klingelte das Telefon. Eine unbekannte Nummer.
    Es war der Polizist aus Bodø.
    »Ich sitze gerade am Meer, sieben-, achthundert Meter von Ihrem Haus entfernt. Wenn Sie Zeit und Interesse haben, würde ich Ihnen gern etwas zeigen.«
    »Geht es um den Jungen?«
    »Ja.«
    »Ich komme«, sagte er, obwohl er sich eigentlich bei Brocks hätte melden sollen.
    »Ich gehe die Klippen hoch und schwenke meine Taschenlampe.«
    »Bin in fünf Minuten da.«
    Hinter dem dünnen Lichtstrahl, der sich in Halbkreisen hin und her bewegte, sah das Gesicht des Polizisten aus wie eine Maske. Als Niklas sich näherte, senkte Rino die Lampe, um ihm den Weg zu leuchten.
    »Ich wollte nicht stören, aber nachdem ich Sie da sowieso schon mit reingezogen hatte …«
    »Ich habe schon noch einen freien Willen. Das ist vielleicht mehr, als man von Ihrem armen Kerl behaupten kann.«
    »Befürchte ich auch. Die Perversion übersteigt alles, was ich mir vorgestellt hatte.«
    Der Anlegeplatz lag in einer kleinen Bucht, in der die Klippen natürlichen Schutz vor Wind und Wetter boten. Jetzt war hier weit und breit kein Boot zu sehen, doch die Holzplanken waren immer noch da, glitschig von Algen und Seewasser. Rino kletterte hinunter bis ans Wasser. Niklas folgte ihm, wobei er bei jedem Schritt sorgfältig darauf achtete, dass er sicher stand, bevor er das Körpergewicht verlagerte. Rino ließ den Lichtstrahl ein Stück vorausschweifen, bis er an einem dicken Metallring hängen blieb, der einen Meter unter dem Wasserspiegel am Felsen befestigt war.
    »Ich glaube, hier saß er angekettet und schaukelte auf den Wellen.«
    Niklas hatte schon früher beobachtet, wie Gewalt wieder neue Gewalt erzeugte, doch so etwas hatte er noch nie gesehen. Das Opfer war immerhin ein kleiner Junge gewesen.
    »Er muss ganz schön gekämpft haben.«
    »Ist nicht so leicht zu kämpfen, wenn einem die Hände festgekettet sind.« Niklas sah ihn vor sich, wie der glitschige Fels dem Jungen jeden Halt versagte und ihn in die Knie zwang, wie er strampeln musste, um den Kopf über Wasser zu halten.
    »Irgendjemand muss doch gewusst haben, was hier passierte. Ich weigere mich, etwas anderes zu glauben.« Rino senkte die Taschenlampe. »Warum schauen die Leute bei so was weg?«
    Niklas überlegte kurz. Die fünf, sechs Meter hohen Klippen versperrten den Blick auf die Häuser.
    »Sie leugnen es einfach.« Auch das hatte er schon beobachtet – wie Mütter taub waren für die Geräusche aus dem Kinderzimmer und es ertrugen, ein paar Minuten später das Bett mit dem Täter zu teilen. »Verstehen Sie jetzt, was Sie

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