Der Mahlstrom: Roman (German Edition)
hatte.«
Der Satz wurde nicht fortgesetzt, und Rino hob einen Finger. »Keine Sorge, gleich habe ich genug, nur noch eine letzte Frage: In welcher Hinsicht hatte ihr Tod etwas Gutes?«
Torkil Bruun hakte die Daumen hinter seine Hosenträger. »Das«, sagte er und setzte eine strenge Miene auf, »unterliegt meiner lebenslangen Schweigepflicht.«
32
Als Karianne nach Hause kam, wirkte sie unbeschwerter denn je. Sie setzte sich an den Küchentisch und legte ein totes Tier auf die Tischplatte. »Guck mal!« Sie lächelte stolz. »Den hat er mir mehr oder weniger hinterhergeschmissen. Und wenn er es nicht getan hätte, hätte ich ihn gestohlen.«
Niklas hatte keinen Sinn für ausgestopfte Tiere, doch er wusste, dass er sich wohl an einen ins Leere starrenden Luchs im Wohnzimmer würde gewöhnen müssen. »Er hat sich also wirklich erholt?«
»Er kann aufstehen und gehen. Ist das nicht toll?«
»Ja.« Irgendwie konnte er ihre Freude nicht ganz teilen.
»Was ist los, Niklas? Du bist irgendwie so geistesabwesend.«
Er setzte sich zu ihr und nahm die Hand, die sie ihm reichte.
»Ich glaube, ich komme der Sache jetzt näher.«
»Weißt du, wer es war?« Selbst wenn sie so eifrig war wie jetzt, blieben ihre Wangen blass und leblos. In ihr starb etwas.
Er schüttelte den Kopf. »Aber bald. Ich spüre das.«
»Du warst …«
»Bei Lilly Marie.«
»Und du glaubst nicht, dass … dass sie es war?«
Wieder schüttelte er den Kopf. »Ich weiß nicht, Karianne, ich weiß nicht. Allerdings zeichnen sich so langsam gewisse Zusammenhänge ab.«
»Aber du hast auf jeden Fall ein Bauchgefühl?«
In seinen heimischen vier Wänden hatte er sich nie an die Schweigepflicht gehalten, und es kam durchaus vor, dass sie über Details sprachen.
»Ja. Und das sagt mir, dass wir bald wissen werden, wer es war.«
»Es liegt aber nicht an der Operation, dass du so abwesend bist, oder?«, fragte sie plötzlich.
Er stand auf, rang sich ein Lächeln ab und fuhr mit dem Finger durch den rauen Tierpelz. Reinhard hatte den Luchs schon besessen, bevor Karianne auf die Welt kam, und mehrmals die barbarische Großartigkeit des Präparats gepriesen, trotz Niklas’ offenkundigem Mangel an Interesse. »Wo willst du ihn hinstellen?«
»Ich dachte, du magst keine ausgestopften Tiere?«
»Was tut man nicht alles für seine Liebste.« An den Krallen hingen die Reste irgendeiner eingetrockneten Substanz, wahrscheinlich Erde und Matsch, wie er annahm. »Und für so was hättest du dich zur Diebin gemacht.«
»Der hat mir schon immer so gefallen.«
Er blieb stehen, irgendetwas rumorte in seinem Unterbewusstsein, und sie merkte es. »Was ist denn, Niklas?«
»Mir ist da bloß gerade was eingefallen. Ich muss mal eben Lind anrufen.«
Er hatte sich nach ihrem Termin im Krankenhaus nicht zum Dienst zurückgemeldet und deswegen ein leicht schlechtes Gewissen, als er die Nummer seines Kollegen wählte. »Mir ist da was eingefallen«, sagte er, nachdem Lind sich erkundigt hatte, ob die Untersuchungen gut gelaufen waren. »Es geht um diese Einbrüche.«
»Sieht doch so aus, als wäre das vorerst wieder überstanden.« Lind schien nicht weiter interessiert.
»Ich dachte an die Einbrüche, die schon mehrere Jahre zurückliegen.«
»Was ist damit? Damals ist wenig bis gar nichts gestohlen worden.«
»Kannst du dich erinnern, wann das war?«
»Nein, wer erinnert sich schon an so was. Das ist so lange her, zwanzig Jahre mindestens.«
»Könnte es noch länger her sein?«
»Schon möglich. Warum fragst du?«
»Mir ist da nur was eingefallen. Könntest du mir den Gefallen tun und nachsehen, ob das mit der Zeit von Lineas Verschwinden zusammenfiel?«
Ein paar Sekunden blieb es still in der Leitung. »Das war wohl zu der Zeit, ja, aber ob es davor oder danach war, müsste ich nachschauen. Glaubst du, dass es da einen Zusammenhang gibt?«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Ich muss zugeben, es klingt ein bisschen weit hergeholt, aber ich brauche nur ein paar Minuten. Ich melde mich dann.«
Es dauerte fünf. »Du Schlitzohr.« Man hörte Lind an, dass er etwas auf Lager hatte.
»Lass mich raten. Die Einbrüche waren direkt danach.«
»Der erste wurde fünf Tage nach Lineas Verschwinden gemeldet. Komm, Niklas, raus mit der Sprache. Wie bist du darauf gekommen?«
»Um ehrlich zu sein, das weiß ich selbst kaum. Aber mir kam der Gedanke, dass diese Einbrüche vielleicht nichts weiter waren als eine Suchaktion. Die Frage ist, was der Einbrecher gesucht hat,
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