Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
Vom Netzwerk:
habt ihr vom Zaun gebrochen, nicht ich, und ich werde nichts tun, um ihn fortzuführen.«
    Er verstummte und musterte mit harten, unbarmherzigen Augen die Überreste der Armee, die man gegen ihn ins Feld geschickt hatte.
    »Die anderen«, sagte er nach einer Weile, »werden mein Urteil noch früh genug erfahren.«
    Er machte auf dem Absatz kehrt und ging weg, gefolgt von seinen Offizieren.
    »Weißt du überhaupt, was du da eben weggeworfen hast?« fragte Lachios, als er ihn eingeholt hatte. Er konnte seine Wut nur mühsam unterdrücken. »Deine Schatztruhe ist leer, und du läßt sie davonreiten, als wären sie deine Essensgäste gewesen. Diese Männer sind leicht hundert Talente in Gold wert!«
    »Im Augenblick ist Friede mit Athen viel mehr wert als das«, antwortete Philipp, ohne sich umzusehen. »Diese aalglatten Politiker werden schneller wieder zu Hause sein, als der Mond abnimmt, und sie werden sich nur an zwei Dinge erinnern: an die Großzügigkeit des Siegers und an ihre Angst. Über ihre Angst werden sie kein Wort verlieren, denn nichts beschämt einen Mann mehr als die Erinnerung daran, wie er für sein Leben zu Kreuze gekrochen ist, also was glaubst du, was sie ihren Mitbürgern berichten werden? Die Versammlung ist ein Pöbelhaufen, Lachios, und der Pöbel ist im allgemeinen von großzügigen Gesten sehr beeindruckt.«
    »Ja, vielleicht, aber die Führer, die diesen kleinen Feldzug veranstaltet haben und die kein Pöbel sind, sondern so kaltherzig und berechnend wie kaum ein König, die werden deine großzügige Geste als Zeichen der Schwäche deuten.«
    »Und damit haben sie recht. Wir sind schwach. Wir sind so schwach, daß wir nichts gewinnen, wenn wir versuchen, diese Schwäche zu verbergen. Wir müssen mit dem zufrieden sein, was wir bekommen können. Glaub mir, es wird einige Zeit dauern, bis unsere Feinde in Athen wieder Geld für einen zweiten Versuch bewilligt bekommen.«
    Philipp legte seinem Freund die Hand auf die Schulter, und die beiden blieben stehen.
    »Es ist erledigt, Lachios«, sagte er, beinahe so, als würde er ein Kind trösten. »Und jetzt sei so freundlich und laß meinen Bruder zu mir bringen. Ich möchte ihn jetzt sehen.«
     
    Als Arrhidaios in Philipps Zelt gebracht wurde, sah er bereits aus wie ein Verurteilter. Seine Tunika war schlammverkrustet, und seine Augen lagen tief in den Höhlen, als hätte er seit Tagen nicht geschlafen. Über die Angst schien er bereits hinaus zu sein. Als die beiden allein waren, zog Philipp als erstes sein Schwert und durchtrennte seinem Bruder die Fesseln.
    »Seit wann hast du nichts mehr gegessen?« fragte er, doch Arrhidaios stand nur da und rieb sich die wundgescheuerten Handgelenke.
    »Möchtest du etwas essen?«
    »Etwas Wein vielleicht«, erwiderte Arrhidaios nun mit einem gleichgültigen Achselzucken. »Darf ich mich setzen?«
    Philipp deutete auf die Pritsche in einer Ecke des Zeltes, und Arrhidaios fiel mehr darauf, als daß er sich setzte. Er nahm die Schale, die Philipp ihm gab, trank sie in einem Zug aus und hielt sie dann seinem Bruder hin, um sie nachfüllen zu lassen.
    »Hast du mich holen lassen, um mich zu begnadigen, Bruder?«
    Philipp schüttelte den Kopf. »Ich würde dich verschonen, wenn ich könnte, aber ich kann es nicht. Das weißt du.«
    »Ja, ich weiß es. Danke, daß du wenigstens den Anstand hast, mit mir kein Spiel zu treiben. Aber was willst du dann – dich an meinem Elend weiden?«
    »Traust du mir das wirklich zu?«
    Arrhidaios gestattete sich ein kurzes, freudloses Auflachen.
    »Unter den gegebenen Umständen würde ich das jedemMann zutrauen. Wann wird die Versammlung zusammentreten, um mich zu verurteilen?«
    »Ich ergötze mich wirklich nicht daran, Bruder. Ich will nur wissen, warum.«
    »Ich habe zuerst gefragt«, zischte Arrhidaios. Und dann wie um zu zeigen, daß er sich beherrschen konnte, ergänzte er in ruhigerem Ton: »Wann muß ich sterben?«
    »Dein Prozeß wird in Pella stattfinden. Ich würde sagen, in zwei oder drei Tagen. Warum bist du gegen mich in den Krieg gezogen?«
    »Ist denn das nicht offensichtlich?«
    »Für mich nicht.«
    Einen Augenblick lang, bis er sich wieder in der Gewalt hatte, sah Arrhidaios aus wie ein Mann, der plötzlich mit Entsetzen feststellt, daß ihm der Traum seines Lebens zerplatzt ist. Es war eine Sache von Sekunden, nur etwas, das kurz über sein Gesicht huschte, aber es genügte, um Philipp verstehen zu lassen.
    »Du hast geglaubt, ich würde dich verraten«,

Weitere Kostenlose Bücher