Der Makedonier
die kurze Zeitspanne seiner Abwesenheit von zu Hause gebraucht hatte. Einen Mann wie ihn nicht zu beachten, konnte gefährlich werden.
Philipp war nicht mehr derselbe.
Anfangs war Perdikkas geneigt gewesen, daran Anstoß zu nehmen – war denn Philipp nicht noch immer ein Knabe, sein kleiner Bruder? Doch jetzt, nach Alexandros’ Tod, war es seltsam tröstend für ihn, Philipps wohlüberlegten, eindringlichen Worten zu lauschen. Auch wenn deren Bedeutung ihn mit Schrecken erfüllte.
Prinz Ptolemaios hat sich nicht gescheut, einen König zu töten. Es war unmöglich, so etwas zu glauben. Und doch, wenn Philipp einem direkt in die Augen sah und diese Worte sprach, war es unmöglich, es nicht zu glauben. Und deshalb begann sich Perdikkas nach dieser Unterhaltung mit seinem Bruder zu ängstigen.
Und wie immer, wenn die Seele ihm schwer wurde, wandte er sich trostsuchend an seine Mutter.
Doch auch Eurydike hatte sich verändert. Der Tod ihres ältesten Sohnes hatte einen Schatten über sie geworfen, und gleichzeitig hatte die Heirat mit Ptolemaios sie mit einer verzweifelten Energie erfüllt. Sie schien in dieser Ehe weniger glücklich zu sein als entschlossen zum Glück, und ihrer nervösen Sprunghaftigkeit der Gedanken haftete etwas leicht Wahnsinniges an.
So ist das also, mochte Perdikkas gedacht haben, wenn die Götter uns die Liebe als das Werkzeug unserer Vernichtung schicken.
Während Eurydike ihrem Sohn zuhörte, spielten ihre langen, behenden Finger mit den Perlen der Goldkette, die Ptolemaios ihr zur Hochzeit geschenkt hatte. Sie schien nicht einmal überrascht zu sein, als sie erfuhr, daß Philipp ihren neuen Gatten des Verrats und des Mordes bezichtigt hatte. Es war ihr auch nicht anzumerken, ob sie es nicht vielleicht sogar glaubte. Mit einem Gesicht, das so starr war wie eine Totenmaske, hörte sie einfach nur zu, und lediglich die fahrigen Bewegungen ihrer Finger verrieten die innere Anspannung.
»Philipp würde gut daran tun, vorsichtiger zu sein«, sagte sie, als Perdikkas geendet hatte. »Er sollte nicht vergessen, daß er zwar ein Prinz aus königlichem Haus und dein Erbe ist, aber dennoch nicht mehr als ein Untertan.«
»Er sagt, daß er mein Untertan ist, Mutter, und nicht Ptolemaios’.« Perdikkas senkte den Blick, als wäre die Treue seines Bruders eine Last, von der er fürchtete, siekönnte ihm zu schwer werden. »Er sagt, ich brauche ihm nur den Befehl zu geben, und er wird Ptolemaios töten. Er sagt, ich brauche mich nur für volljährig zu erklären, und er wird die Regentschaft mit Ptolemaios’ Leben beenden. Er will Ptolemaios vor der Versammlung zur Rede stellen und ihn dort töten, damit alle es sehen. Und ich glaube, er würde es auch tun.«
»Natürlich würde er es tun oder es zumindest versuchen. Was für Fehler Philipp auch haben mag, an Mut hat es ihm nie gefehlt.«
Dabei lächelte Eurydike sogar, als würde der Gedanke sie erheitern, und für eine kurze Zeit ruhten ihre Hände.
»Aber er muß daran gehindert werden, denn Prinz Ptolemaios ist dein treuer Diener, wie er auch der deines Bruders war.«
Seine Mutter hatte eine Art, ihm ruhig in die Augen zu sehen, der Perdikkas sich nicht entziehen konnte. Wenn sie ihn so ansah, schien sie sich seines Willens zu bemächtigen, denn es war ihm unmöglich, die geradezu unterwürfige Liebe zu unterdrücken, die dann in ihm aufstieg. Er betete seine Mutter an, und er wäre ein Schurke, wenn er nicht alles glaubte, was sie ihm sagte. Ptolemaios war sein Freund, war immer sein Freund gewesen. Seine Mutter liebte Ptolemaios, und deshalb mußte auch Perdikkas ihn lieben. Ptolemaios war ein guter Mann, und Philipps Geist war verderbt von grundlosem Argwohn. Zumindest in diesem Augenblick glaubte er das, obwohl sein Verstand dagegen aufbegehrte. Und danach würde er natürlich in der Falle sitzen.
»Ja, natürlich ist er treu, aber…«
»Und Philipp ist ein Narr, wenn er sich etwas anderes einbildet«, unterbrach ihn Eurydike, den Blick noch immer unverwandt auf ihn gerichtet. »Wir können nur vermuten, daß der Kummer seinen Verstand getrübt hat. Uns allen hat Alexandros’ plötzlicher Tod großes Leid bereitet. Ich, seine Mutter…«
Erst jetzt wandte sie sich ab, als müßte sie einen plötzlich aufkeimenden Schmerz unterdrücken.
»Ja, Mutter.«
Als sie ihn wieder ansah, glänzten in ihren Augen unvergossene Tränen, und ihre lächelnden Lippen zitterten.
Perdikkas spürte sein Gesicht glühen vor Scham, Philipps Namen
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