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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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Hüfte gelegt, drückte sie sich an ihn und spürte jede Spanne seines nackten Körpers an dem ihren.
    »Meinen Sohn wirst du nicht anrühren«, flüsterte sie, und es klang wie ein Fluch. »Wenigstens diese Grenze wirst du deinem Ehrgeiz setzen, daß du nicht die Hand gegen meinen Sohn erhebst.«
    »Warum nicht? Liebst du ihn so sehr?«
    »Du wirst meinen Sohn nicht anrühren.«
    »Warum nicht?«
    »Er ist mein Sohn. Das genügt.«
    Als es vorüber war und sie sich schweißgebadet in denArmen lagen, wandte Ptolemaios den Kopf ab und starrte zur dunklen Decke empor.
    »Niemand wird einer solchen Anschuldigung Glauben schenken«, sagte er nach einer Weile. Es schien, als könnte er sich zu einer eindeutigeren Leugnung nicht durchringen.
    »Zumindest wird niemand sagen, daß er ihr Glauben schenkt.«
    Er sah sie nicht einmal an, doch sein Gesicht schien sich zu verhärten, als hätte ein Tadel ihn getroffen. Dann setzte er sich auf und goß sich eine Schale Wein ein. Erst als er sie fast zur Hälfte ausgetrunken hatte, sprach er wieder.
    »Ich bin der Regent«, sagte er. Er hatte ihr den Rücken zugewandt, sie konnte also nur nach dem Klang seiner Stimme urteilen. Und es klang fast, als würde er prahlen. »Ich kann nicht zulassen, daß geflüstert wird, ich sei in einen Verrat verwickelt.«
    »Dann hast du nichts zu befürchten, denn wenn Philipp eine Anschuldigung vorbringt, dann flüstert er nicht.«
    »Machst du dich lustig über mich, Weib?«
    »Nein.« Eurydike zog sich die Decke über die Brüste, denn ihr war plötzlich kalt geworden. »Nein, ich mache mich nicht lustig über dich. Ich wundere mich nur.«
    »Worüber wunderst du dich?«
    »Daß die ganze Welt vor dir Angst hat und du vor Philipp.«
    »Du hast mich immer vor ihm gewarnt.«
    »Ja.« Sie nickte, obwohl sie wußte, daß er es nicht sehen konnte. »Du hast mit gutem Grund vor ihm Angst.«
    Ptolemaios erwiderte nichts, sondern trank seinen Wein aus und stellte dann die Trinkschale auf den Boden. Er schien sich unschlüssig zu sein, ob er nun aufstehen sollte oder nicht.
    Schließlich legte er sich wieder hin, behielt aber seine Hände bei sich und machte keine Anstalten, seine Frau zu berühren.
    »Philipp muß fortgeschickt werden«, sagte er, es klang, als wäre ihm der Gedanke eben erst gekommen.
    »Willst du ihn ins Exil schicken?«
    »Nein, nicht ins Exil. Er wird zu den anderen Geiseln nach Theben gehen, denn dort ist er sicher und aus dem Weg. Die Ortsveränderung wird ihm helfen, diese lächerlichen Hirngespinste loszuwerden. Außerdem wird Theben Philipp gefallen. Mein eigener Sohn ist auch dort.«
    »Ich glaube nicht, daß es ihm deswegen besser gefallen wird.«
    Aber Ptolemaios hatte bereits die Augen geschlossen. Es war, als hätte er sie überhaupt nicht mehr gehört.
     
    Welche Gedanken gingen Ptolemaios in den langen Nächten durch den Kopf? Peinigte ihn der Geist des Königs, den er ermordet hatte, oder kannte er vielleicht gar keine Reue? Philipp versuchte sich vorzustellen, wie das wohl sein mochte, doch es gelang ihm nicht.
    Er konnte nur trauern. Alexandros’ Gebeine lagen bereits in den königlichen Grabstätten in Aigai. Hoch war die Erde über seiner Grabkammer aufgetürmt, und er war so weit entfernt wie die unsterblichen Götter. Philipp konnte sich nur damit trösten, Trankopfer über dem Grab seiner Ziehmutter auszugießen und zu hoffen, so ihren ruhelosen Geist und auch den seinen zu besänftigen.
    Er konnte nichts tun. Er hätte Ptolemaios mit Freuden getötet, auch wenn es sein eigenes Leben gekostet hätte, denn so wäre das königliche Haus der Argeaden wenigstens von dem wahnsinnigen Feuer des Ehrgeizes befreit, das in Ptolemaios’ Eingeweiden brannte. Dann würde es Perdikkas vielleicht gelingen, in seine Königswürde hineinzuwachsen. Jetzt war Perdikkas ein Gefangener seiner Angst, einer Angst, die mit Ptolemaios sterben würde, einer Angst aber auch, die ihn davon abhielt, seine eigene Befreiung zu erlauben. Philipp brachte es nichtfertig, gegen den Willen des Königs zu handeln, denn er wollte nicht selbst zum Verräter werden. Perdikkas mochte ein schwacher Narr sein, aber er war trotzdem der König, und seinen Befehlen war zu gehorchen.
    Es schien keinen Ausweg zu geben.
    Philipp wünschte sich, jetzt seinen Kopf in Alkmenes Schoß legen zu können, wie er es getan hatte, wenn er sich als Kind bei einem rauhen Jungenspiel verletzt hatte. So wie damals seine wundgescheuerten Knie kam ihm jetzt seine Seele vor

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