Der Makedonier
überhaupt ausgesprochen zu haben.
Sie legte ihre Hand auf die seine.
»Wir werden nie mehr darüber reden«, sagte sie.
Aber Eurydike war nicht so verblendet von ihrer Leidenschaft zu Ptolemaios, daß sie ihn nicht durchschaute. Sie brauchte sich nur ihren eigenen Haushalt anzusehen, um zu erkennen, zu welchem Ausmaß an Verrat er fähig war.
Um sie heiraten zu können, hatte er sich zuerst von seiner ersten Frau, ihrer eigenen Tochter, trennen müssen, und eine Frau, die von ihrem Gatten verstoßen wurde, kann nirgendwo hin außer zurück zu ihrer Familie. Da aber ihre Brüder noch nicht alt genug für eigene Hausstände waren, konnte sie nur zu ihrer Mutter gehen, die jetzt Ptolemaios’ Frau war. So blieb sie also im Haus ihres früheren Gatten.
Und er besuchte auch weiterhin ihr Lager, vielleicht sogar häufiger als während ihrer Ehe. Er benutzte sie so beiläufig wie eine Sklavin – nicht, weil er ein besonderes Verlangen nach ihr hatte, sondern einfach, weil er wußte, daß beide Frauen es in demütigem Schweigen hinnehmen würden. Hatte er zuvor die Tochter mit der Mutter betrogen, so war es nun genau andersherum, und das schien ihm Vergnügen zu bereiten.
Sonderlich nahegestanden hatte Eurydike ihrer Tochter noch nie, die zwar ihren Namen trug, aber innerhalb der Familie immer nur »Meda« gerufen wurde. Und unter demselben Dach gelebt hatten sie nicht mehr, seit König Amyntas die damals Vierzehnjährige Ptolemaioszur Frau gegeben hatte. Eurydike hatte Meda immer für ein ziemlich lebloses Ding gehalten, und deshalb überraschte es sie, als sie nun erkannte, wie abgrundtief ihr Kind litt.
Von Meda selbst erfuhr sie, daß Ptolemaios begonnen hatte, ihr Lager wieder aufzusuchen. Doch es lag kein Triumph in diesen Worten, wie man es vielleicht hätte erwarten können, nicht einmal Wut, sondern nur Bedauern, denn Meda nahm die Schuld allein auf sich. Sie flehte ihre Mutter um Verzeihung an und bat sie zu verstehen, daß die Berührung dieses Mannes ihr den Willen und die Vernunft raubte. Er nahm sie nicht mit Gewalt, denn Gewalt hatte er nicht nötig; sie hatte nur einfach nicht die Kraft, ihm zu widerstehen.
Und Eurydike verstand. Sie wußte, daß es möglich war, das Böse in einem Mann zu kennen, ja, ihn dafür sogar zu hassen, und doch die bereitwillige Sklavin seiner Lust zu sein. Sie kannte Ptolemaios’ Macht über das Fleisch. So saßen sie und ihre Tochter eng umschlungen in einem Winkel ihres Zimmers und weinten vor Kummer. Und ihre Tränen vergossen sie füreinander, denn sie wußten, daß sie beide hoffnungslos in dem Netz verstrickt waren, das die Götter für sie gewebt hatten.
Warum sollte Eurydike also nicht glauben, daß Ptolemaios hinter dem Mord an ihrem Sohn stand – außer daß sie wahnsinnig werden würde, wenn sie es glaubte. Ptolemaios war zu allem fähig, das wußte sie. Würde sich etwas ändern, wenn er Alexandros getötet hätte? Wäre sie dann in der Lage, sich von ihm loszureißen? Vielleicht, aber nur lange genug, um sich selbst das Schwert in die Brust zu stoßen. Wenn sie es also glaubte, würde sie sterben, und deshalb durfte sie es nicht glauben.
Aber die Stimme, die in ihr flüsterte, daß es vielleicht doch wahr sei, wollte nicht verstummen.
In gewisser Hinsicht waren ihr Philipps Anschuldigungen sogar willkommen, wenn auch nur, weil sie in dem Schweigen, das einen Großteil ihres Lebens umschloß, ihren Befürchtungen Worte verliehen, die nicht ihre eigenen waren.
»Mein Sohn Philipp glaubt, daß Praxis nicht allein gehandelt hat« , flüsterte sie in der Dunkelheit ihres Schlafzimmers, während Ptolemaios’ Hand über ihre Brüste glitt.
»Hat er dir das gesagt?« Sie spürte seinen Atem auf ihrem Hals, und ihr Herz begann wild zu schlagen, wie ein Tier, das sich gegen die Stäbe seines Käfigs wirft.
»Ist es wichtig, wer es mir gesagt hat?« Sie ließ ihre Finger über seine Brust bis zu der gezackten Narbe knapp unterhalb der Rippen wandern, wo ihn in seiner Jugend in einer Schlacht gegen die Illyrer ein Pfeil getroffen hatte. »Er glaubt es, das genügt.«
»Hat er einen Komplizen genannt?« Sein Bart streifte leicht ihr Kinn. Wie immer pikten die stacheligen Haare in ihre Haut wie Feuersteinsplitter, und sie wurde beinahe ohnmächtig vor Verlangen.
»Ja. Er behauptet, daß du es warst.« Sie drückte ihren Mund gierig auf seine sich öffnenden Lippen, als wollte sie ihn verschlingen. Sie war wie ausgehungert nach ihm. Ein Bein über seine
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