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Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Titel: Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Vermeulen
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selbst war Leonardo dagegen angenehm überrascht. Er war noch relativ jung, klein und rund und schmunzelte die ganze Zeit, als bereite ihm alles großes Vergnügen. Später sollte Leonardo allerdings bemerken, dass Verrocchios Mundwinkel von Natur aus nach oben zeigten, selbst bei einem seiner Wutanfälle, wenn ein Lehrling seine Arbeit verdorben hatte. Dann konnte er aufstampfen und in die Luft gehen wie eine Karikatur aus einer Posse. Aber normalerweise war er durchaus ein umgänglicher Mensch.
    »Sieh an, der Knabe mit den wunderlichen Landschaftsskizzen«, sagte er, als Ser Piero ihm seinen Sohn vorgestellt hatte. Mit in die Seiten gestemmten Händen musterte er Leonardo von Kopf bis Fuß.
    »Wunderlich, Meister?«, fragte Leonardo unsicher.
    »Wunderlich in der Verbindung, meine ich. Da geht ein außergewöhnliches Gefühl für Bildaufteilung, Detail und Ausgewogenheit mit der Ungelenkheit eines Kindes einher, das nicht einmal weiß, wie man einen Zeichenstift halten muss.« Er blickte ernst, soweit seine gekräuselten Mundwinkel das zuließen.
    »Ich habe die Hoffnung, dass Sie mir diese Kunst beibringen wollen, Meister.«
    »Das hoffen alle hier, aber bei den meisten reicht das Talent höchstens dazu zu lernen, wie man eine Treppe malt, obgleich sie selbst – beziehungsweise ihre Väter – der Meinung sind, dass sie allen großen Meistern haushoch überlegen sind.« Verrocchio mied den Blick von Ser Piero.
    »Ich versichere Ihnen, dass mir solcherlei Anmaßung fremd ist, Meister.«
    »Falsch!«, sagte Verrocchio, und es klang so scharf, dass Leonardo zusammenzuckte. »Wer nicht den Ehrgeiz besitzt, dereinst seinen Lehrer zu übertreffen, ist ein schlechter Schüler!«
    Leonardo hatte sich sofort wieder gefangen. »Dazu braucht es keinen Ehrgeiz, Meister«, sagte er obenhin, »das wird früher oder später ganz von selbst eintreten.« Seine Vermessenheit ließ ihn beunruhigt verstummen. Er meinte seinen Vater neben sich nach Luft schnappen zu hören, aber das konnte Einbildung sein.
    Verrocchio starrte Leonardo mit zusammengekniffenen Augen an, eine Ewigkeit, wie es schien. Aber dann nickte er langsam, ohne einen weiteren Kommentar abzugeben. Er wandte seine Aufmerksamkeit Ser Piero zu. »Ich denke, ich überlasse die Aufsetzung eines Vertrags mit den besprochenen Bedingungen am besten Ihren fachkundigen Händen, nicht wahr?«
    Ser Piero nickte. »Wann erwarten Sie Leonardo hier?«
    »Morgen früh«, antwortete Verrocchio. »Ein Monat Probezeit, danach sehen wir weiter.«
    »Ich gehe in meine Kanzlei«, sagte Ser Piero, als sie draußen standen. Er schaute Leonardo ausdruckslos an. »Du solltest vielleicht noch deine letzte freie Zeit auskosten und ein wenig die Stadt erkunden, was meinst du?«
    Leonardo war überrascht. Er hatte erwartet, dass er seinen Vater wie schon in den vergangenen Tagen in die Kanzlei begleiten müsse, um bis zum letzten Moment langweilige Schreibarbeiten zu verrichten. »Das würde ich sehr gerne«, erwiderte er daher aus tiefstem Herzen.
    »Sei aber vorsichtig, es gibt Unruhen. Piero de’ Medici, der törichte Sohn Cosimos, will die Medici-Bank große Kredite kündigen lassen, und das wird mit Sicherheit für Probleme sorgen. Il Gottoso !« Ser Piero zog ein verächtliches Gesicht. »Dieser gichtige Trottel hat keine Ahnung, was Wirtschaft heißt, und so einer soll die Stadt regieren! Lass dich in nichts verwickeln, Leonardo.«
    Nach dieser letzten Ermahnung drehte Ser Piero sich um und ging.
    Die Unruhen hielten sich in Grenzen, so Leonardos Eindruck, als er am rechten Arno-Ufer entlang nach Süden ging. Er hatte von einem Schiff gehört, das dort auf Grund gelaufen und gekentert war, wobei es seine kostbare Ladung aus weißem Marmor verloren hatte. Das Wrack lag angeblich immer noch dort, mit einer Seite über der Wasseroberfläche, und das wollte sich Leonardo einmal mit eigenen Augen ansehen. Vor allem auch, weil es den Erzählungen nach ein ganz besonderes Schiff von einem berühmten Ingenieur war, dessen Namen Leonardo schon mehrfach gehört hatte. Ein Schiff, das von Schaufelrädern angetrieben wurde. Und nun lag es dort wie eine Warnung vor dem Fortschrittsglauben und Übermut gewisser Leute, die so unbesonnen waren zu meinen, sie könnten von ihrem Zeichentisch aus die Natur bezwingen.
    Da und dort sah Leonardo Leute in Grüppchen beisammenstehen und sich mit ernster Miene unterhalten, insbesondere im Geschäftsviertel der Stadt. Als er kurz in der Nähe eines solchen

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