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Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Titel: Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Vermeulen
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erster großer Auftrag von seinem neuen Gönner Charles d’Amboise bestand darin, ihm ein Sommerhaus vor den Toren der Stadt zu entwerfen. Es sollte zwischen den beiden Flüsschen Nirone und Fontelunga direkt außerhalb der Porta Venezia gebaut werden und nach Wunsch des Gouverneurs ganz in die liebliche Landschaft eingebettet sein. Sie führten darüber endlose Gespräche, und Leonardo setzte die Ideen des Gouverneurs in detaillierte Skizzen um, die er mit eigenen Einfällen anreicherte und technisch vervollkommnete. Weitläufige, helle, luftige Räume, Loggien, ein Lustgarten voller aromatisch duftender Bäume, Pflanzen und Blumen, darin Teiche, die von den angrenzenden Flüsschen gespeist wurden. Als Besonderheit dachte sich Leonardo eine vom Wasser angetriebene Mühle aus, deren Flügel nebenbei nicht nur für eine kühlende Brise sorgen sollten, sondern auch Musik machen würden.
    »Ein so lieblicher Ort, dass keiner, der einmal dort gewesen ist, je wieder von dort weg möchte«, schwärmte Leonardo. Und d’Amboise glaubte ihm aufs Wort. Er schätzte Leonardos Talente über alle Maßen und war entsetzt darüber, wie wenig dieser große Künstler offenbar im eigenen Land geachtet wurde. Das musste er jedenfalls aus den ungehaltenen Briefen von Piero Soderini von der Signoria in Florenz schließen, die darauf drangen, dass Leonardo seinen Verpflichtungen dort nachkam und das Fresko von der Anghiarischlacht fertigstellte. D’Amboise hatte zu guter Letzt freundlich, aber unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass einem Künstler wie Meister Leonardo da Vinci höchster Respekt gebühre und es dessen Wohlbefinden nur guttäte, wenn er nicht nach Florenz zurückkehrte – eine kleine Zurechtweisung, die offenbar Wirkung getan hatte, denn die Signoria gab klein bei.
    »Es schreit doch wirklich zum Himmel, dass ich, ein Franzose, Ihrem Land deutlich machen muss, wie wertvoll Ihre Talente sind!«, empörte sich d’Amboise gegenüber Leonardo.
    »Ach, ich habe mit der Zeit gelernt, mich damit abzufinden.«
    »Vielleicht ein großer Fehler. Wäre es nicht besser gewesen, sich von denen abzuwenden, die Sie nicht nach Gebühr schätzen? Frankreich würde Sie mit Posaunenschall empfangen.«
    Leonardo nickte, den Blick auf den tiefroten Wein in seinem Kristallrömer gesenkt. »Ich habe durchaus schon einmal erwogen, alle Brücken hinter mir abzubrechen und fortzugehen.«
    »Und?«
    Leonardo sah sein Gegenüber nachdenklich an. D’Amboise war gut zwanzig Jahre jünger als er, aber in Momenten wie diesem bewies er einen Ernst, der von einer weit größeren Reife zeugte, als man sie bei seinem Alter und seinem recht frivolen Lebensstil erwartet hätte.
    »Ich habe wohl zu lange gewartet. Vielleicht hatte ich einfach nicht den Mut, einen endgültigen Schnitt zu machen und zu durchtrennen, was mich mit der Toskana verbindet. Und irgendwann musste ich mir dann sagen, dass es zu spät ist. Wenn man einen alten Baum verpflanzt, ist das meist tödlich für ihn.«
    Das klingt schöner, als zugeben zu müssen, dass es mir zu gegebener Zeit an der nötigen Energie gefehlt hat, dachte Leonardo. In ein anderes Land zu ziehen, noch einmal ganz von vorn anzufangen, die Sprache und die Sitten des Landes zu erlernen, neue Beziehungen aufzubauen…
    Er seufzte unwillkürlich. »Zu solchen einschneidenden Veränderungen muss man sich entschließen, wenn man jung ist.«
    D’Amboise klopfte ihm unvermittelt vertraulich auf die Schulter. »Sie haben noch etliche Jahre vor sich, mein bester Leonardo. Und ich hoffe, noch lange von Ihren hochgeschätzten Diensten Gebrauch machen zu können.« Er griff zu seinem Römer und sagte dann in ganz anderem Ton: »Ich habe derzeit Probleme mit Baron Arrigoni in Baiedo. Er ist einfach nicht zur Vernunft zu bringen. Mir wird also nichts anderes übrigbleiben, als Baiedo einzunehmen und ihn in den Kerker werfen zu lassen. Hätten Sie Lust, mich bei diesem Feldzug zu begleiten?«
    Leonardo erschrak ein wenig über dieses Ansinnen, das so beiläufig dahergekommen war. »Ich habe schon einmal nähere Bekanntschaft mit den Schattenseiten der Kriegsführung gemacht, Exzellenz. Ich fürchte, ich bin zu friedliebend, als dass ich mir das noch ein weiteres Mal antun wollte.«
    »Aber natürlich. Wie konnte ich einen feinsinnigen Menschen wie Sie auch so etwas fragen!« D’Amboise lachte nachsichtig. »Noch etwas Wein?«
    Im Castello, das ihm zu Zeiten Ludovico Sforzas immer so unermesslich groß vorgekommen war,

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