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Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Titel: Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Vermeulen
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Beispiel.«
    »Aber was könnte persönlicher sein als unser Aussehen?«
    »Das Aussehen ist doch nur das Bild, das du der Welt zeigst. Deine wahre Persönlichkeit bleibt dahinter verborgen.« Leonardo wandte sich wieder der Vorbereitung seiner Arbeit zu. »Würdest du dich bitte auf den Stuhl dort setzen, mit dem Rücken zum Fenster?«
    Lisa folgte seiner Bitte. Während sie sich setzte, sagte sie: »Bin ich schon so alt, dass ich das Licht scheuen muss? Das hat man nun davon, wenn der Künstler seine Kunden eine Ewigkeit auf ihre Bestellung warten lässt.«
    »Die meisten Künstler malen im vollen Licht und zeigen ihre Werke dann in dunklen Räumen. Ich mache es lieber andersherum.« Leonardo griff zu Palette und Malstock und trat an die Tafel. »Würde es dir oder deinem Gemahl etwas ausmachen, wenn eine Kopie dieses Bildes einen der Salons des Gouverneurs zierte?«
    »Meinem Gemahl würde es vor allem etwas ausmachen, wenn womöglich seine Augen ob des fortgeschrittenen Alters so schlecht geworden wären, dass er nichts mehr sehen könnte, bis dieses Porträt endlich unseren Salon ziert!« Lisa suchte wieder ihre bequeme Sitzhaltung. Vorwurfsvoll sagte sie: »Du hast die ganze Zeit in Florenz nichts mehr von dir hören lassen!«
    »Es geht nicht immer alles so, wie man es will, Lisa.« Mit einer entschiedenen Bewegung übertrug Leonardo die Linie von Lisas rechtem Augenlid auf die Tafel.
    »Muss ich mich jetzt etwa schämen?«
    »Warum trägst du dein Haar nicht lockiger?«
    »Wie bitte?«
    »Ich male gerne fließende Formen. Vielleicht, weil sie mich an die Bewegungen des Wassers erinnern.«
    »Warum lügen Männer Frauen so oft an?«
    »Weil wir eure empfindsamen Seelen nicht verletzen möchten.« Leonardo schaute von der Tafel auf. »Und wofür glaubst du dich schämen zu müssen?«
    »Für meine Aufdringlichkeit.«
    »Ach, Lisa…« Leonardo starrte durch das Fenster nach draußen. »Begehrt zu werden ist ein hübsches Kompliment, und ich bin manchmal zu tumb, das zu erkennen.« Er sah sie an. »Das gilt auch, wenn die Natur es einem nicht vergönnt hat, die fleischliche Liebe einer Frau genießen zu können.«
    Lisa erwiderte seinen Blick. »Bist du dir da ganz sicher?«
    Er wandte sich ab. »Ich habe es einmal versucht, vor langer Zeit.« Er fragte sich, wieso er ihr das erzählte.
    »Mit einem Modell?«
    »Spielt das eine Rolle?«
    »Und?«
    »Und was?«
    »Wie war es?«
    Leonardo vermischte zwei Farben auf seiner Palette, aber er war mit den Gedanken nicht dabei. »Es war peinlich, für beide.«
    »Empfindest du Frauen denn als abstoßend?«
    Er schüttelte ungeduldig den Kopf, das Gespräch begann ihn zu irritieren. »Frauen sind wie Blumen, sie gehören zum Schönsten, was die Natur hervorbringt.«
    »Und möchtest du eine Blume nicht bewundern, ihren Duft einatmen, sie anfassen?«
    Leonardo fühlte sich von Lisa in die Enge getrieben, und er schwieg verärgert.
    »Gott hat uns mit den Mitteln ausgestattet, einander zu Gefallen zu sein. Ist es da nicht Sünde, keinen Gebrauch davon zu machen?«
    »Dabei hatte Gott aber, wenn man der Bibel Glauben schenken darf, etwas anderes im Sinn. Warum sonst wurden Adam und Eva aus dem Paradies geworfen?«
    Leonardo erschrak, als Lisa die Arme um ihn schlang. Er hatte sie nicht näher treten hören. Den Mund an seinem Ohr, flüsterte sie: »Meinem Empfinden nach ist das der Weg ins Paradies.« Er schloss die Augen und ließ sie gewähren. Lisa duftete diesmal nicht nach Honig, sondern nach Blumen. Nach welchen, konnte er nicht bestimmen. Nach Primeln jedenfalls nicht. Ihre Wärme spendete Trost, etwas, woran er sich nur vage, von vor langer, langer Zeit erinnerte.
    Unvermittelt griff er zu Lisas tastender Hand und schob seine Finger zwischen die ihren, als suchte er die innige Verschränkung. Doch er wehrte sie ab: »Erspar dir bitte die Enttäuschung.«
    Lisa löste sich von ihm und nahm wieder auf ihrem Stuhl Platz, was Leonardo erleichterte, aber merkwürdigerweise auch ein wenig schmerzte. Zum Malen war er jetzt nicht mehr aufgelegt.
    »Du bist ein eigentümlicher Mann, Leonardo.«
    Er sah zu ihr hinüber, blickte aber durch sie hindurch auf einen fernen Punkt. »Ich frage mich manchmal…«, er zögerte, als müsse er Mut sammeln, ehe er sich weiter erklärte, »ob es wohl Länder gibt, in denen alles ganz anders ist als hier?«
    »Ist nicht in Afrika alles ganz anders? Und in der Neuen Welt?«
    Er schüttelte den Kopf. »Die Menschen dort haben eine andere

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