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Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Titel: Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Vermeulen
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was mit ihm geschah, Hauptsache, er wurde von den Schmerzen in seinem geschundenen Leib erlöst. Beinahe wäre er sogar von sich aus in das dunkle Wasser dort unten gesprungen, wenn nicht plötzlich einer warnend gezischt hätte: »Die Nachtwache!«
    Im nächsten Moment lag Leonardo in einer etwas grotesken Haltung ganz allein auf der breiten Brüstung. Er hörte noch kurz das Hallen von sich eilig entfernenden Schritten, dann sagte eine Männerstimme: »Da liegt einer. Wohl ein Trunkenbold!«
    Das flackernde Licht einer Fackel erhellte das Zwielicht. Leonardo wurde von Händen gepackt und auf die Füße gestellt. Man hielt ihn fest, als er taumelte und zu fallen drohte.
    »Ich kenne den Burschen«, sagte jemand. »Das ist ein Maler, der bei Meister Verrocchio arbeitet.«
    »Man hat mich überfallen«, krächzte Leonardo. Er räusperte sich, um seine Kehle wieder frei zu bekommen. Dabei fuhr ihm ein stechender Schmerz ins Kreuz.
    Um ihn herum standen mehrere dunkel gekleidete Männer mit schwarzen Hüten. Einer von ihnen hielt seine brennende Fackel hoch, um Leonardos Gesicht zu beleuchten.
    »Diese Nichtsnutze warten wohl neuerdings nicht einmal mehr die Nacht ab«, sagte einer der anderen. »Du kannst von Glück reden, dass wir unseren Rundgang heute früh aufgenommen haben.«
    »Ja, vielen Dank.« Leonardo versuchte sich gerade aufzurichten, doch die Schmerzen im Rücken waren zu groß. Trotzdem sagte er: »Ich glaube, ich kann gehen, ich habe es nicht weit.«
    »He, hier liegt noch einer!« Sie hatten den Mann entdeckt, den Leonardo sich vorgeknöpft hatte. »Hast du ihn so zugerichtet?«, fragte der, der sich über den Mann gebeugt hatte. Es klang geradezu respektvoll.
    »Er hatte einen Dolch, er wollte mich töten.« Für ein paar soldi , dachte Leonardo ungläubig. Denn viel hatte er nicht bei sich.
    »Er wird es jedenfalls nicht mehr weitererzählen«, konstatierte der Mann. Er richtete sich auf. »Du wirst dich hierfür vor Gericht verantworten müssen. Aber das braucht dich nicht zu beunruhigen, da du dich offensichtlich nur selbst verteidigt hast. Und im Übrigen ist uns die Bande bekannt. Ein paar von denen sitzen schon im Kerker. Aha, hier liegt der Dolch.« Er hob die Waffe auf und steckte sie in seinen Gürtel.
    »Jetzt mach aber, dass du nach Hause kommst«, sagte einer der anderen Männer zu Leonardo. »Du siehst so aus, als würdest du einen zweiten Überfall nicht überleben.«
    »Es geht schon«, erwiderte Leonardo, den es mit einem Mal sehr nach seinem Bett verlangte. »Nochmals vielen Dank.«
    Die eine Hand auf seine schmerzende Nierengegend gedrückt und mit der anderen Halt am Mauerwerk suchend, schleppte er sich über die Brücke auf die andere Seite des Flusses.
    Als er sich am Ende des Ponte Vecchio noch einmal umschaute, war die Patrouille der Nachtwache bereits verschwunden.
    Zwei Wochen später brachte ein Bote ein versiegeltes Schreiben von der Signoria. In dem notariell beurkundeten Dokument ging es zu Leonardos Verblüffung allerdings um etwas ganz anderes als um den unseligen Vorfall auf dem Ponte Vecchio. Vielmehr hatte offenbar irgendein anonymer Denunziant eine Anzeige gegen ihn und einige andere in einen buco della verità geworfen. Das war eine Art Briefkasten, in den jeder Florentiner Beschwerden oder Anschuldigungen gegen Mitbürger werfen konnte. Danach war es Sache des Gerichts, diesen Bezichtigungen nachzugehen oder auch nicht. Offenbar hatte die Signoria in diesem Fall das eine und andere als so schwerwiegend erachtet, dass sie die Sache verfolgen wollte.
    Als Leonardo den Brief nach anfänglichen Vorbehalten schließlich doch Verrocchio zu lesen gab, sah dieser ihn forschend an. »Was hattest du im ›Monte Rosa‹ zu suchen?«
    »Es ist eines der wenigen Wirtshäuser, die ich kenne, weil ich dort einmal mit Leon Battista Alberti gewesen bin.«
    »Hast du diesen…«, Verrocchio warf einen Blick auf das Schreiben, »diesen Jacopo Saltarelli dort wirklich mehrmals getroffen, wie hier unterstellt wird?«
    »Ein einziges Mal, und das nur kurz. Ich hatte keinen Bedarf an seinen Gefälligkeiten.« Leonardo schlug ungewollt einen verteidigenden Ton an.
    Verrocchio furchte die Stirn. »Du hattest keinen Bedarf an seinen Gefälligkeiten? Was soll denn das heißen?«
    »Ich wollte einfach nur, dass er mich in Ruhe lässt.«
    »Hier steht, dass er Männern gegen Bezahlung unsittliche Dienste erweist und du davon Gebrauch gemacht hast. Der Denunziant nennt sogar noch weitere Kunden,

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