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Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Titel: Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Vermeulen
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aufgedunsener Mann mittleren Alters mit glänzender Glatze. Er trug einen Silberring im linken Ohr.
    »Branntwein«, sagte Leonardo, bevor der Wirt fragen konnte. Und als der Mann den Mund aufmachte: »Egal welcher, wenn er mir nur das Herz erwärmt.«
    Der Wirt brummte etwas Unverständliches und ging.
    Der Krug Branntwein wurde von einem feminin wirkenden Knaben gebracht, der noch nicht lange den Kinderschuhen entwachsen war.
    »Ich habe dich hier schon einmal gesehen«, sagte er, während er Leonardos Becher füllte, »zusammen mit Herrn Alberti.« Dabei sah er Leonardo so durchdringend an, als wollte er ihm das zum Vorwurf machen.
    »Ja und?«
    »Herr Alberti hat mir damals unter vier Augen eingeschärft, dass ich mich von dir fernhalten soll.«
    Leonardo blickte verwundert. »Wirklich? Du siehst aber gar nicht gefährlich aus.«
    »Kommt drauf an, was man für gefährlich hält.« Der Knabe grinste vertraulich und deutete auf die Bank Leonardo gegenüber. »Mein Name ist Jacopo Saltarelli. Darf ich mich zu dir setzen?«
    »Ich möchte dich nicht beleidigen, aber ich brauche keine Gesellschaft.«
    »Jeder braucht Gesellschaft.«
    »Mag sein, aber gewiss nicht jederzeit.«
    »Wer die Einsamkeit sucht, geht nicht ins Wirtshaus.«
    »Zu Hause habe ich aber keinen Branntwein. Und es ist mir hier einsam genug – solange man mich in Ruhe lässt jedenfalls.«
    »Sei doch nicht so kratzbürstig, ich habe nur die besten Absichten.«
    Leonardo ging die Aufdringlichkeit des Jungen allmählich auf die Nerven. »Warte, wenn ich erst die Krallen ausfahre, da kannst du dich auf etwas gefasst machen.«
    »Hast du eine Frau oder eine Freundin?«
    »Das geht dich gar nichts an.«
    »Oder vielleicht einen Freund?« Saltarelli grinste anspielungsreich. »Darf ich mich wirklich nicht zu dir setzen?«
    Leonardo wandte sich dem Wirt zu, der an der Theke gerade eine Öllampe entzündete, und machte ihm ungeduldige Zeichen in Richtung des Knaben. »Dein Schoßhündchen hier geht mir auf die Nerven. Könntest du es nicht vielleicht irgendwo einsperren?«
    Saltarelli zuckte die Achseln und trollte sich. »Du weißt nicht, was du dir entgehen lässt«, sagte er noch.
    Leonardo trank seinen Becher aus und goss ihn gleich noch einmal voll. Doch dann überlegte er es sich anders und schob den Becher von sich, so brüsk, dass ein Teil des Branntweins überschwappte. Er warf eine Münze auf den Tisch und ging ohne ein Wort hinaus.
    Es wurde jetzt langsam dunkel, und es hatte leicht zu nieseln begonnen. Leonardo schlug seinen Rockkragen hoch und steuerte auf den Ponte Vecchio zu, um auf diesem Wege nach Hause zurückzukehren. Die Dunkelheit und das ungemütliche Wetter störten ihn nicht, sie passten zu seiner Stimmung.
    Auf der Mitte der Brücke, deren Läden inzwischen alle zugemacht hatten, kam ihm ein halbes Dutzend abgerissener Gestalten entgegen. Sie liefen auf seiner Seite, so dass er gezwungen war, ihnen auszuweichen. Bewusst jeden Blickkontakt meidend, ging er an ihnen vorüber. Sie schienen ihn gar nicht wahrzunehmen, bis der Letzte im Bunde sich ihm plötzlich frech in den Weg stellte. Leonardo stieß beinahe mit ihm zusammen. Ein scharfer Geruch nach Zwiebeln und Bier schlug ihm entgegen.
    »Beutel her«, sagte der Mann mit erstaunlicher Gelassenheit und hielt seine Hand auf. Die andere Hand schob er in sein Wams, als wolle er den dort versteckten Dolch ziehen.
    Leonardo fühlte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte – aber nicht vor Angst, sondern vor Wut. »Meinen Beutel? Einen Tritt kannst du bekommen, du dreckiger Dieb!«
    Im nächsten Moment hatte sein Gegenüber in der Tat einen Dolch in der Hand. Leonardo wartete nicht ab, was jetzt geschehen würde. Blitzschnell trat er dem überraschten Mann gegen das Knie, fasste ihn gleich darauf bei den Ohren und rammte ihn mit solcher Wucht gegen die Steinbrüstung der Brücke, dass es im Schädel des Mannes hörbar knackte. Doch dann wurde Leonardo von hinten angegriffen. Irgendwer warf sich auf ihn, und ein Zweiter riss ihm die Beine weg. Er schlug nun seinerseits hart gegen die Brüstung und sackte zusammen, als ihn gleich zwei Fausthiebe schmerzhaft in der Nierengegend trafen.
    »Über die Mauer mit ihm!«, schrie jemand. »Lasst ihn ersaufen, den Hundsfott!«
    Der wehrlose Leonardo wurde hochgerissen und wie ein Lumpensack auf die Brüstung gehievt. Obwohl er nicht schwimmen konnte, verspürte er keine Panik, sondern eher so etwas wie Lethargie. Es war ihm ziemlich gleichgültig,

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