Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Titel: Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Vermeulen
Vom Netzwerk:
wie ich hier sehe, mit Vor- und Zunamen.«
    »Würde ich dich diesen Brief lesen lassen, wenn das alles wahr wäre?«
    »Hm, ich an deiner Stelle würde jedenfalls nicht damit hausieren gehen.«
    »Und?«
    »Das ›Monte Rosa‹ hat einen schlechten Ruf, Leonardo. Schon allein dadurch, dass du dorthin gehst, bist du verdächtig. Ist dir denn nicht aufgefallen, dass man dort nie eine Frau sieht?«
    »Ich achte nicht so auf Frauen.«
    Verrocchio verzog das Gesicht. »Das solltest du vor Gericht lieber nicht sagen.«
    »Ich verkehre aufs engste mit der schönsten Frau von Florenz, wie könnte ich mich da noch für andere interessieren!«
    Verrocchio zog die Brauen hoch. »Aufs engste?«
    »Ich darf Ginevra de’ Benci malen. Enger geht es doch wohl kaum.«
    »Ach, du meinst das platonisch. Ja, in dem Sinne hast du vielleicht den Gipfel erreicht, das ist wahr.«
    »Ach, das führt doch alles zu nichts.« Leonardo nahm Verrocchio das Schreiben aus der Hand und rollte es zusammen. »Tut mir leid, dass ich dich damit behelligt habe.«
    »Nun, über eines besteht jetzt immerhin Klarheit: Du hast einen Feind oder zumindest einen Neider.«
    »Wieso sollte jemand neidisch auf mich sein?«
    »Du hast langsam Erfolg, und du hast Beziehungen zu den höchsten Kreisen. Das ist für manche Grund genug. Und noch ist es an dem, der angeschwärzt wurde, seine Unschuld zu beweisen.« Verrocchio sah Leonardo von der Seite an. »Glaubst du, du kannst das?«
    »Wie denn? Mein Gott!« Niedergeschmettert ließ Leonardo sich auf einen Stuhl sinken und starrte brütend ins Leere. »Dieses Florenz stößt mich immer mehr ab.«
    »Es gibt hier auch Menschen, die dir wohlgesinnt sind, Leonardo. Und die genügend Einfluss haben, um das Gericht dazu zu bewegen, die Klage fallenzulassen.«
    »Vielleicht.«
    »Im Übrigen dürfte es deiner Reputation guttun, wenn du dir baldmöglichst eine vorzeigbare Liebste zulegtest«, empfahl Verrocchio.
    »Was ist denn mit deinem Gesicht passiert?«, fragte Ginevra de’ Benci und unterzog Leonardos Stirn, auf der eine Schnittwunde und eine gehörige Beule prangten, einer näheren Begutachtung.
    »Gegen eine Mauer gelaufen«, antwortete er unwillig und ein wenig irritiert von dem Primelduft, der aus Ginevras Kleidern aufstieg.
    »Bist du deswegen in der letzten Woche nicht zum Malen hier gewesen?«
    Er nickte. »Ich fürchtete, es würde dich vor mir grausen.« Er begann, die mitgebrachten Töpfe mit vorbereiteter Farbe aufzustellen.
    »Steht dir aber gut. Du siehst damit aus wie ein Krieger, der gerade aus der Schlacht zurückgekehrt ist.« Ginevra setzte sich auf ihren Platz am Fenster.
    Leonardo wandte sich der Staffelei mit der von ihren Maßen her eher bescheidenen Tafel zu, auf der die ersten Ansätze von Ginevras Gesicht zu sehen waren. Er hatte es vor einen dunklen, fast schwarzen Hintergrund gesetzt, den ein Wacholderstrauch bildete. Dieser Kontrast sollte Ginevras elfenbeinfarbene Blässe umso deutlicher hervortreten lassen. Aber es gehören auch noch Primeln mit hinein, dachte Leonardo jetzt, und eine märchenhafte Landschaft, die ihren Zauber unterstreicht. Ginevras Bildnis sollte eine gewisse Erhabenheit über das Alltägliche, Irdische ausstrahlen. Daran hatte er in der bottega weiterarbeiten wollen, doch es war nicht viel daraus geworden.
    »Mir fehlen hier einige Utensilien aus der Werkstatt, die ich bräuchte, um die Farbnuancen deines Gesichts und deines Haars und die Glätte deiner Haut perfekt wiedergeben zu können.«
    »Ich mag aber nicht in der Werkstatt Modell sitzen, falls du darauf anspielst. Und ich erwarte auch gar keine Perfektion.« Mit einem schiefen Lächeln fügte Ginevra hinzu: »Du brauchst mich nur ein wenig schöner zu machen, als ich es bin.«
    »Aber deine Schönheit ist perfekt!«
    »Dann wollen wir hoffen, dass du mit deinen Pinseln genauso virtuos umzugehen verstehst wie mit deiner Zunge.«
    »Das hat man mir schon einmal gesagt.«
    »Leonardo…«, Ginevra sah ihn mit diesem schon fast vertrauten, seltsam herausfordernden Blick an, »stimmt es eigentlich, dass Künstler sich hin und wieder an ihren Modellen vergreifen?«
    Es gelang ihm, sein Erschrecken über ihre unerwartet direkte Frage gut zu verbergen. »Ich… äh… ich weiß es nicht. Wie ich schon sagte, habe ich noch nicht so viel Erfahrung.«
    »Ob das einem Künstler hilft, sein Modell besser zu ergründen?«
    »Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht«, antwortete Leonardo wahrheitsgetreu. Er

Weitere Kostenlose Bücher