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Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Titel: Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Vermeulen
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schmunzelte. »Dazu braucht man einen Spiegel.«
    »Ach, wozu machst du denn das?«
    Er zuckte die Achseln. »Eine Angewohnheit von mir. Ich möchte nicht, dass ein jeder ohne weiteres lesen kann, was ich schreibe.«
    »Dann erzähl es mir. Was hier steht, meine ich.«
    »Wer suchet, der findet. Aber meist findet man nicht, was man sucht.«
    »Was soll denn das jetzt wieder heißen?«
    »Dass viele Redewendungen ganz einfach dumm sind.«
    Caterina legte die Tafel wieder hin. »Du bist ein merkwürdiger Vogel geworden, Leonardo. Ist das Ser Pieros Verdienst?«
    »Ach, Ser Piero… Ich musste nicht nackt herumlaufen, und ich habe keinen Hunger gelitten, er ist also seinen Vaterpflichten nachgekommen.«
    Caterina sah ihn mit schiefgelegtem Kopf an. »Was man von deiner Mutter nicht behaupten kann, hm?«
    Leonardo überlegte kurz. »Du hast mich geboren, das ist mehr als alles, was man von einem Mann erwarten kann.«
    »Du verzeihst mir also, dass ich dich damals hergegeben habe?«
    Warum nicht?, dachte Leonardo. Wenn er ihr das Leben damit ein wenig versüßen konnte. »Ich bin kein Stier, Rachegelüste gehören nicht zu meinen Eigenschaften.« Er erhob sich. »Ich glaube, ich gehe jetzt besser.«
    »Du kannst hier übernachten, Platz ist ja mehr als genug da.«
    Er schüttelte den Kopf, denn er wollte lieber nicht mit Antonio konfrontiert werden. »Ich bin vorhin an einem Gasthaus vorübergekommen, gar nicht weit von hier.«
    Caterina erhob sich ebenfalls, ungewöhnlich mühsam für ihr Alter, wie eine greise Frau. »Leonardo… Was hast du denn nun wirklich hier gesucht?«
    »Du freust dich also nicht über meinen Besuch?«
    »Darum geht es nicht.«
    Er blickte zu Boden – rote Fliesen, sorgsam mit weißem Sand bestreut. »Ich ziehe demnächst nach Mailand, das ist zu Pferd eine gute Woche entfernt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich je wieder herkomme, ist also recht gering.« Leonardo sah seine Mutter an. »Was dich aber nicht sonderlich kümmert, wie mir scheint.«
    Sie ging nicht auf diesen Vorwurf ein. »Ich hoffe, du wirst dort glücklich, glücklicher, als du jetzt aussiehst.«
    Einen kurzen Moment fragte sich Leonardo, ob er seine Mutter umarmen sollte, doch diese Anwandlung dauerte keine zwei Wimpernschläge. Er wandte sich hölzern um und ging zur Tür, peinlich berührt, dass er überhaupt daran hatte denken können.
    Ohne sich noch einmal umzuschauen, ritt er davon.
    Das Arbeitszimmer des großen Stadtherrn imponierte Leonardo. Es war nämlich eher klein und sehr schlicht, ohne Schmuck an den Wänden, ohne Teppiche auf dem Holzfußboden und mit einem Schreibtisch wie dem eines einfachen Schreiberlings. Allerdings verwunderte es ihn, dass ein Kunstliebhaber wie Lorenzo il Magnifico kein einziges Bild hatte aufhängen lassen.
    Vielleicht eine Strategie, dachte er. Lorenzo de’ Medici wollte sich nicht die Sympathien der weniger Begüterten verscherzen, die er in überwiegender Zahl in diesem Büro empfing. Seine Schätze waren dort untergebracht, wo das einfache Volk keinen Zutritt hatte.
    Leonardo hatte dieses Arbeitszimmer noch nie zu sehen bekommen. Es war auch das allererste Mal, dass ihn Il Magnifico höchstpersönlich zu sich geladen hatte. Und irgendwie hatte der Tenor dieser »Vorladung« etwas Unterkühltes an sich gehabt, was Leonardo Unbehagen bereitete.
    Der Stadtherr ließ ihn eine Weile warten. Als er endlich erschien, verschwendete er keine Zeit an eine Begrüßung und lud Leonardo, der aufgesprungen war, auch nicht ein, sich wieder zu setzen. Stattdessen knallte er unwirsch eine Mappe auf den Schreibtisch.
    »Mailand?«
    Leonardo erschrak über den barschen Ton. »Exzellenz?«
    »Dachtest du etwa, du könntest klammheimlich aus Florenz verschwinden?«
    »Das war nicht meine Absicht, Exzellenz.«
    »Warum bist du dann nicht zuerst zu mir gekommen, bevor du überhaupt daran gedacht hast wegzugehen?«
    »Ich dachte… äh… Ich dachte nicht, dass meine Person von solcher Wichtigkeit ist, dass… äh…«
    Leonardo erkannte, dass er einen Schnitzer gemacht hatte. Lorenzo de’ Medici betrachtete die Florentiner Künstler als Eigentum seiner Stadt. Die konnten nicht kommen und gehen, wie es ihnen beliebte, sondern hatten sich mit ihm ins Benehmen zu setzen.
    Der Stadtherr setzte sich an seinen Schreibtisch und schlug die Mappe mit sichtlicher Verärgerung auf. Er nahm einen Brief heraus, den er Leonardo vor die Nase hielt. »Ich nehme an, du erkennst deine Schrift, auch wenn du die Buchstaben

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