Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Maler Gottes

Der Maler Gottes

Titel: Der Maler Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
Vom Netzwerk:
und Häme würde der Alte über ihn ausschütten, wüsste er, dass Matthias eine Hure gemalt hat. Der Gotteslästerung würde er ihn bezichtigen, vielleicht sogar in einem Anfall von Wut die Tafel zerstören. Wie soll er auch verstehen, was Matthias selbst nicht in Worte fassen, sondern nur erfühlen kann? Wie soll das überhaupt ein Mensch verstehen? Doch Matthias weiß, dass es so ist. Er weiß, dass Magdalena ihm heilig und rein und unschuldig ist wie keine andere. Einzig die Schnitzarbeiten finden das Lob des Meisters. »Tadellose Arbeit, Kerl«, lobt er. »Man sieht, dass du beim besten Bildschnitzer gelernt hast.«
    Doch glücklich ist Meister Lukas erst, als er vom Auftraggeber des Lindenhardter Altars ein Säckchen mit Gulden bekommt und hört, dass die Herren zufrieden sind mit dem, was Matthias gemalt hat.
    Unglücklich aber wirkt er, als Matthias ihm nach Abschluss der Arbeiten und Aufstellung des Altars verkündet, dass er Kronach und die Werkstatt des Meister Lukas verlassen wird, um weiter nach Aschaffenburg zu ziehen. »Hättest bleiben können, Kerl«, brummt er. »Kost, Logis und einen guten Lohn würdest du bekommen. Und ein neues Bett in die Kammer, wenn es denn sein muss. Ein Jahr noch wenigstens hätten wir es schon miteinander ausgehalten.«
    »Habt Dank, Meister Lukas, habt Dank für alles. Doch Euer Sohn kehrt zurück, hört ich, so dass Ihr mich gut entbehren könnt.«
    »Ja, ja! Es stimmt wohl, dass Lukas zurückkommt. Aber werde ich ihn halten können? Zu alt bin ich, um die neue Malart zu verstehen oder gar noch zu erlernen. Junges Blut fehlt mir hier.«
    Doch Matthias lässt sich nicht überreden. Im Frühjahr des Jahres 1504 verlässt er Kronach und macht sich auf den Weg nach Aschaffenburg. In seinem Bündel trägt er ein Briefchen, ein Zettelchen nur, das ihm Magdalena gesandt hat.
9. K APITEL
    Aschaffenburg – Zweitresidenz des Mainzer Erzbischofs Jakob von Liebenstein.
    Die Burg steht auf dem Hügel oberhalb des Mains. Von hier hat Matthias den besten Ausblick auf die Mainauen, von hier beobachtet er den Frühling, der langsam Einzug hält. Und hier, auf einem Mauervorsprung hinter der Burgmauer, liest er Magdalenas Briefchen wieder und wieder.
    „Lieber Matthias“ , schreibt sie. „ Du bist so fern, und doch bist du mir so nahe. Jeden Sonntag bete ich in der Kirche für dich, und ich warte. Ich warte darauf, dass du bald wieder nach Frankfurt kommst. Was zusammengehört, kann auf die Dauer nicht ohne einander sein, hat meine Mutter früher immer gesagt. Und deshalb habe ich Geduld. Wenn Gott will, dass wir zusammenkommen, wird er dich bald wieder zurück an den Main schicken. Und vielleicht führt dich dein Weg dann auch zu der Mühle vor den Toren der Stadt. Bis dahin segne dich Gott. Deine Magdalena.“
    Magdalena, wenn du wüsstest, wie gerne ich bei dir wäre, denkt Matthias, bricht gedankenversunken den Ast eines Weidekätzchenbaumes ab und fühlt sehnsüchtig mit den Fingerspitzen die flauschige Zartheit der aufgebrochenen Knospe. Der Frühling hat auch in Matthias Einzug gehalten. Die laue Aprilluft streicht über seine Lenden, streicht auch des Nachts durch seine Phantasien. Erregende Phantasien sind es, erregend und doch beängstigend. Am Tage, im Schein der Sonne, verflucht er diese Phantasien, des Nachts aber sehnt er sie herbei. Matthias hört den Boten nicht, der sich langsam durch das Tor in der Burgmauer nähert, und erschrickt fast, als der ihn anspricht: »Gott zum Gruße! Seid Ihr der Maler und Bildschnitzer Matthias aus Grünberg?« Matthias nickt: »Der bin ich. Was wollt Ihr? Was gibt es?«
    »Johann von Cronberg, der Viztum, der Stellvertreter des Erzbischofs von Mainz, schickt mich. Morgen um die Vesperstunde sollt Ihr Euch bei ihm einfinden.«
    »Warum?«, fragt Matthias, obgleich er weiß, dass der Bote die Antwort nicht kennt.
    »Pünktlich zur Vesperstunde«, wiederholt der auch nur, zuckt mit den Achseln und verschwindet beinahe so geräuschlos, wie er gekommen ist.
    Zur rechten Zeit betritt Matthias am nächsten Tag die Johannisburg. Er hat sich Mühe gegeben mit seiner Kleidung. Sogar im Badehaus ist er gestern Abend gewesen, hat sich rasieren und das Haar schneiden lassen. Jetzt trägt er einen neuen Umhang aus blauem Tuch, darunter eine Jacke in derselben Farbe und auf dem Kopf einen Filzhut, das teuerste Stück seiner Ausstattung. Im Burghof sieht er sich um. Eifrig laufen Bedienstete hin und her, zwei Hoffräulein, die mit Perlen bestickte

Weitere Kostenlose Bücher