Der Maler Gottes
Hörnerhauben und reiche Ohrgehänge tragen, hasten zu einer kleinen Kapelle. In einer von ihnen erkennt Matthias die Nichte des Erzbischofs. Ein Höfling mit Schnabelschuhen stolziert über den Hof und hat seine Not, nicht über die langen Schuhspitzen zu stolpern, eine ältere Hofdame schilt mit einer Magd, die einen Korb voller Eier im Arm hat.
Matthias spricht die Wache am Tor an. »Zu Johann von Cronberg will ich«, sagt er, und der Wächter weist ihm den Weg.
Matthias muss nicht lange in den vielen Gängen der weitläufigen Burg umherirren. Schnell findet er die Gemächer des Viztums. Er meldet sich beim Sekretär des Erzbischof-Stellvertreters und wartet im Vorraum auf die Audienz.
Der Vorraum, ein großer, recht karger Raum mit weiß getünchten Wänden, an denen in regelmäßigen Abständen rote Brokatteppiche hängen, wirkt einschüchternd. In der Mitte steht ein großer Tisch aus glänzender, schwarzer Eiche, auf dem der einzige Kerzenleuchter recht verloren wirkt. An den Wänden reihen sich Bänke aus dunklem Holz, in allen vier Ecken steht ein bequem gepolsterter Stuhl. Die ganze Atmosphäre strahlt Macht aus. Die Wandbänke sind so schmal und hart, dass alle, die hier warten, nicht vergessen können, dass sie als Bittsteller gekommen sind. Unruhig rutscht Matthias auf dem blanken Holz hin und her und lauscht dem Schlagen der Turmuhr. Draußen hüllt die Dämmerung die Stadt in graue Tücher. Eine Stunde wartet er nun schon, und er spürt, wie langsam der Ärger in ihm hochwallt. Natürlich weiß er, dass der Viztum ein viel beschäftigter Mann ist, aber auch er, Matthias, hat seine Zeit nicht gestohlen. Als ein Bediensteter den Raum betritt, fasst sich Matthias ein Herz und sagt: »Mein Besuch wurde dem hochwohlgeborenen Herrn von Cronberg schon vor einer Stunde gemeldet. Ich bitte darum, jetzt zu ihm geführt zu werden.«
Der Bedienstete, ein hochgewachsener schöner Mann, streift Matthias und seine Kleidung mit einem verächtlichen Blick, streicht sich dann wohlgefällig über sein Samtwams und sagt gestelzt: »Ihr seid nicht in der Position, hier etwas zu erbitten. Seht es als ein Geschenk des Himmels, dass Ihr überhaupt hier sein dürft, und freut Euch daran, solange es dauert.«
Mit einem spöttischen Blick mustert er noch einmal den jungen Maler, der so gar nichts Höfisches, Elegantes an sich hat. Mehr denn je spürt Matthias den Mangel an eigner Würde. Zwar ist auch er nicht klein, doch seine hängenden Schultern lassen ihn unter diesem Blick schrumpfen. Er fühlt seine lange, schmale Nase, spürt förmlich jeden überflüssigen Millimeter daran und ist sich auch seiner fliehenden Stirn über den kleinen, schmalen Augen bewusst. Endlich wirft der Bedienstete seinen Kopf gravitätisch in den Nacken und verlässt dann den Raum.
Erst war es Ärger, doch nun steigt Wut über die verächtliche Behandlung in Matthias hoch. Aber er hat keine Zeit, dieser Wut Luft zu machen, denn schon öffnet sich eine Tür, und der Sekretär des Viztums befiehlt Matthias mit einer knappen Kopfbewegung, einzutreten. Der Viztum, ein hagerer Mann mit dichten, struppigen Brauen über den grauen, klugen Augen, steht hinter seinem Schreibtisch auf, kommt Matthias entgegen und reicht ihm die Hand mit dem Ring zum Kuss. Matthias kann das Sandelholzwasser, welches der Viztum benutzt, riechen, und er sieht auch die manikürten, schmalen Finger, die an die einer Frau erinnern.
»Seid willkommen, Matthias aus Grünberg«, sagt er freundlich und bittet den Maler, auf einem bequemen Stuhl Platz zu nehmen.
Matthias’ Wut und Ärger verfliegen, er fühlt seine Unsicherheit schwinden und sieht dem hohen Herrn, der ihm mit einem freundschaftlichen Lächeln begegnet, gerade und stolz in die Augen. Mag dieser auch weit über ihm stehen, Matthias weiß doch, dass er eine Begabung hat, ein Können, das dem Viztum fehlt. »Ihr habt mich herbitten lassen.«
Johann von Cronberg nickt: »Ich habe viel Gutes über Euch gehört.« Matthias’ Sicherheit versickert wie ein Tropfen Wasser im Sand, betreten sieht er zu Boden.
»Was könnt Ihr Gutes gehört haben?«, fragt er beschämt. »Ich habe bisher nichts Gutes geleistet. Das, was ich noch lernen muss, ist weitaus mehr als das, was ich kann.« Der Viztum lächelt. »Lasst die Koketterien. Meister Hans Holbein ist anderer Ansicht. Er hat Euch empfohlen als einen der Besten unter den jungen Künstlern. Ich habe im Frankfurter Dominikanerkloster gesehen, was Ihr geleistet
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