Der Maler Gottes
habt.«
Erstaunt sieht Matthias auf, doch Johann von Cronberg spricht bereits weiter: »Meine Schwester Apollonia, Gott habe sie selig, ist vor kurzem verstorben. Ich wünsche, dass Ihr für sie eine Memorientafel malt.« Matthias ist erstaunt und erfreut zugleich. Eine Gedenktafel für die Schwester vom Stellvertreter des Erzbischofs zu Mainz. Ein guter Auftrag, ein Auftrag, auf den der erst 23-Jährige nie zu hoffen gewagt hätte. Ehrerbietig senkt er den Kopf: »Habt Dank für die Ehre, hoher Herr.«
Der Viztum nickt und winkt mit der Hand ab. »Was stellt Ihr Euch vor, Matthias aus Grünberg? Was wollt Ihr auf die Tafel malen?«
Einen kurzen Augenblick nur überlegt Matthias. Er betrachtet Johann von Cronberg ganz genau, sieht, dass der Herr aufgrund von Matthias’ Antwort eine Einschätzung treffen will. Matthias muss genau überlegen, darf jetzt keinen Fehler machen. Sagt er das Falsche, könnte der Viztum glauben, sich in ihm getäuscht zu haben. Noch einmal mustert Matthias den Mann, dann sagt er: »Ein Bildnis der Märtyrerin Apollonia, nach der Eure Schwester benannt wurde und der unter grausamer Folter die Zähne mit der Zange herausgerissen wurden und die sich in einem unbeobachteten Augenblick selbst in den Flammentod stürzte.« An dieser Stelle macht Matthias eine wohl berechnete Sprechpause, deren Sekunden sich schier endlos dehnen, bevor er endlich weiterspricht. »… würde ich nicht empfehlen.«
Matthias sieht, wie sich die Gesichtszüge des Viztums, die sich bei seinen ersten Worten angespannt hatten, lockern. »Ihr habt Recht. Ein Bildnis meiner Schwester als zahnlose Märtyrerin mit gebrochenem Kiefer würde mir nicht gefallen. Was also schlagt Ihr vor?« Matthias denkt noch einmal an die Worte Riemenschneiders, der ihm eingebläut hat, wie wichtig es ist, dass der zu erwartende Auftrag dem Wesen des Auftraggebers entspricht. Welches Motiv aber entspricht dem Wesen eines Johann von Cronberg?
Noch einmal betrachtet Matthias den Mann, der weder seine Klugheit noch seine Eitelkeit verbergen kann, ehe er schließlich sagt: »Ich schlage vor, die Verspottung Christi als Thema zu wählen.«
Erstaunt blickt der Viztum auf: »Wie kommt Ihr darauf?« Ein schüchternes, unsicheres Lächeln stiehlt sich um Matthias’ schmalen Mund, als er erwidert: »Aller Spott, aller Hohn haben unserem Herrn Jesus nichts von seiner unbeschreiblichen Größe rauben können, sowie auch -dessen bin ich mir sicher – alle Widrigkeiten des Lebens Eurer Schwester nichts von ihrer Größe und Güte geraubt haben.«
Am Gesichtsausdruck des Viztums erkennt Matthias, dass er die richtigen Worte gefunden hatte. Johann von Cronberg sieht geschmeichelt aus.
»Ihr scheint nicht nur ein begabter Maler, sondern auch ein guter Menschenkenner zu sein. Ich werde Euch Farben und Material dorthin liefern lassen, wo Ihr Quartier habt. Unterrichtet mich, wenn Ihr die ersten Skizzen angefertigt habt, damit ich sie sehen kann.« Mit diesen Worten entlässt Johann von Cronberg den Maler und Bildschnitzer mit seinem ersten eigenen Auftrag.
Glücklich verlässt Matthias die Johannisburg, läuft durch die Burggasse, an der Muttergotteskirche vorbei zum Stift St. Peter und Alexander. Am Turm der Stiftskirche, einem romanischen Bau, sind die Arbeiten in vollem Gange. Der Oberbau soll bald fertig gestellt sein, Erzbischof und Stiftsherren mahnen zu Eile. Hier, im Stiftskapitelhaus, hat Matthias eine Kammer bezogen. Im Raum nebenan hat er sich eine kleine Werkstatt eingerichtet. Gut gelaunt betritt er das Gebäude, eilt beschwingt die Stufen zu seinen Räumen empor. Er wird dem Viztum eine Memorientafel malen, die ihresgleichen sucht. Er wird den Herrn so abbilden, dass der Betrachter seine Nähe fühlen kann. Seine Nähe, seine Liebe und die erhabene Größe des Gottessohnes will er darstellen. Darstellen in einem Augenblick, der dem Menschen als Augenblick der Schwäche und der Schmach erscheinen muss und doch ein Moment der Größe ist. Beflügelt durcheilt er die Gänge und trifft dabei auf Heinrich Reizmann, einen Kanoniker und Stiftsherrn von St. Peter und Alexander.
»Selten sah ich Euch so vergnügt, verehrter Freund«, spricht Reizmann den jungen Maler liebenswürdig an. »Kann ich Eure Freude teilen?« Matthias nickt und lächelt den Geistlichen offen an. »Johann von Cronberg hat mir einen Auftrag erteilt«, bricht es stolz aus ihm hervor.
»Oh, eine große Ehre. Meinen herzlichen Glückwunsch«, erwidert Reizmann. »Wenn Ihr
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