Der Maler Gottes
aufgestützten Armen über den Tisch. »Es war nicht leicht, Eure Berufung durchzusetzen. Noch seid Ihr kein berühmter Maler. Walter von Cronberg war es, der von Gemmingen auf Euch aufmerksam gemacht hat. Auch Jakob Heller hat sich für Euch verwandt. Eine große Ehre für einen 27-jährigen. Eine Ehre, die Eure Zukunft bestimmt. Was gibt es da zu überlegen? Jubeln solltet Ihr und Gott danken für dieses Geschenk!«
»Was geschieht, wenn ich dem Ruf nicht folge?«, fragt Matthias ruhig und macht keine Anstalten, in Jubel oder Dankesgebete auszubrechen.
Reizmann schaut erstaunt, dann lehnt er sich im Stuhl zurück, sein Gesicht wird streng, nimmt beinahe höfischen Ausdruck an. »Nun«, sagt er. »Rechnet es Euch selbst aus: Ihr habt einem der höchsten kirchlichen Würdenträger eine Abfuhr erteilt, habt Walter von Cronberg und Jakob Heller Lügen gestraft. So etwas spricht sich herum. Einem Maler, der den Erzbischof von Mainz, dem reichsten Patrizier Frankfurts und dem Hochmeister des Deutschherrenordens nicht zu Gefallen war – von Euch selbst gar nicht zu reden –, dem wird es in Zukunft an Auftraggebern mangeln. Wenn die Kirche ruft, so hat man ihrem Ruf zu folgen. Ihr wisst es, Matthias.« Der junge Maler nickt. Ja, er weiß es, brauchte trotzdem noch einmal die Bestätigung aus Reizmanns Mund. Fragend sieht er zu Guersi. Doch Guersi antwortet nicht. »Gut«, entscheidet Matthias dann. »Hier in Isenheim gibt es für mich keine Arbeit, in Aschaffenburg dagegen wird es einiges zu tun geben. Ich muss mich im Handwerk schulen, muss mich noch weiter ausprobieren. Die Stelle als Hofmaler verschafft mir dafür die rechte Gelegenheit. Auch für den Weg zum Seelenheil braucht man Proviant.«
Hat Matthias die ganze Zeit nur zu Guersi gesprochen, so wendet er sich nun an Heinrich Reizmann. »Ich werde Euch nach Aschaffenburg begleiten«, sagt er mit fester Stimme.
»Wusste ich es doch, dass Ihr ein kluger Mann seid und eine solche Chance nicht ungenutzt in den Wind schlagt«, ruft Reizmann strahlend aus und klatscht in die Hände. »Ruhm und Reichtum sind mir herzlich gleichgültig«, erwidert Matthias. »Ich werde als Maler und Bildschnitzer nach Aschaffenburg gehen, nicht als Höfling.« Jetzt sieht er zu Guersi. Er beugt sich zu dem alten Mann, legt ihm die Hand auf den Arm. »Vater«, sagt er, »ob mein Entschluss der rechte ist, wird sich weisen. Doch wie soll ich herausfinden, wer ich bin, wenn ich nicht einige Dinge ausprobiere?«
»Das wahre Wesen des Menschen, sein innerster Kern, kommt von Gott, ist die Stimme Gottes. Wenn du deine Ohren vor dieser Stimme nicht verschließt, Matthias, und meinst, deine Sicherheit in der Überzeugung zu finden, du hättest das Leben unter Kontrolle, so kann dir nichts passieren. Egal, wo du bist, egal, was du bist, du wirst der werden, der du bist.«
Gerührt ist Matthias von diesen Worten. So bewegt, dass er aufsteht und den alten Mann im Überschwang seiner Gefühle umarmt. »Danke, Vater«, sagt er. »Ich danke Euch für alles.«
Guersi klopft dem Jungen auf die Schulter und sagt, bevor er ihm den Segen erteilt: »Vergiss nicht, Matthias, die Tafeln warten auf Euch. Sie sind Euch versprochen, sobald Ihr die Reife in Euch fühlt und den Meisterbrief in der Tasche habt.« Am nächsten Morgen brechen sie auf. Reizmann und Matthias reisen auf gut gepolsterten Sitzen in einer bequemen Kutsche mit dem Wappen des Erzbischofs und werden von zwei erzbischöflichen Wachmännern begleitet. Der Mainzer Bote ist schon weit voraus. Sie sind noch nicht lange unterwegs, sind noch im Elsass, irgendwo zwischen Colmar und Straßburg, als die Kutsche am Rande eines Waldes plötzlich stehen bleibt. Reizmann beugt sich hinaus, ruft dem Kutscher zu: »Hey, was ist los? Warum halten wir?«
Der Kutscher erwidert nichts. Reizmann sieht sich nach den Wachmännern um, doch er kann sie nirgends entdecken.
»Ich werde selbst sehen, was passiert ist«, seufzt er und öffnet den Kutschenschlag. Sein Fuß hat noch nicht den Boden erreicht, als er auch schon am Hals gepackt wird und eine scharfe Messerklinge an der Gurgel spürt. Mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen sieht Reizmann nun auch die Wachmänner und den Kutscher, die gerade von einigen Männern an einen Baum gefesselt werden.
»Was wollt ihr?«, röchelt der Stiftsherr mit vor Angst dünner Stimme. »Was wollt ihr? Und wer seid ihr?« Sein Angreifer lässt ihn los und stößt ihn von sich, so dass Reizmann in den Staub fällt. Er
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