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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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er Sie so schnell, daß Sie gar nicht mitbekommen, wie's passiert ist.«
    Michael ging in strömendem Regen nach Moreton zurück. Als er das Dorf erreichte, war er bis auf die Haut durchnäßt und starr vor Kälte. Er blieb auf dem Parkplatz vor dem Rover stehen und tat so, als sei ihm beim Aufsperren der Schlüssel aus der Hand gefallen. Er ging in die Hocke und inspizierte rasch die Unterseite des Wagens. Als er nichts Ungewöhnliches entdeckte, stieg er ein und ließ den Motor an. Er stellte die Heizung auf volle Leistung, schloß die Augen und legte seine Stirn auf das Lenkrad.

    Er wußte nicht, ob er sie jetzt hassen sollte, weil sie ihn belogen ha tte, oder noch mehr lieben sollte, weil sie hatte aussteigen wollen und diesen Versuch mit dem Leben bezahlt hatte. Vor seinem inneren Auge erschien wieder Sarah, die auf ihn zuschwebte, ihr Lächeln, ihr langer Rock über Wildlederstiefeln. Zartweiße Haut, im Kerzenschein golden leuchtend. Ihr Leib, der sich ihm entgegenwölbte. Ihr explodiertes Gesicht!
    Er schlug mit der Faust aufs Armaturenbrett, gab Gas und fuhr so rasant an, daß die Räder auf dem nassen Asphalt durchdrehten. Der weiße Ford-Lieferwagen tauchte wieder auf und blieb hinter ihm, bis er den Rover am Flughafen Heathrow abgab.
    Michael fuhr mit dem Bus zum Terminal 4 und eilte hinein.
    Die Schlange vor dem Ticketschalter der Trans-Atlantic Airlines war unzumutbar lang, deshalb suchte er sich eine Telefonzelle und rief Elizabeth im Büro an. Ihr Sekretär Max Lewis meldete sich und bat Michael, am Apparat zu bleiben, weil er Elizabeth aus einer Besprechung holen mußte. Michael überlegte, was er ihr erzählen sollte. Er beschloß, Sarah vorläufig nicht zu erwähnen. Die ganze Sache war zu kompliziert, zu emotional befrachtet, um am Telefon diskutiert zu werden.
    Als Elizabeth sich meldete, sagte er: »Ich bin am Flughafen.
    Meine Maschine geht bald, und ich wollte dich nur anrufen, um dir zu sagen, daß ich dich liebe.«
    »Alles in Ordnung, Michael? Du klingst irgendwie durcheinander.«
    »Ich habe nur einen langen Vormittag hinter mir. Ich erzähle dir alles heute abend zu Hause. Wie geht's dir? Bist du bereit für morgen?«
    »So bereit, wie man nur sein kann. Ich versuche allerdings, nicht dauernd daran zu denken. Ich stecke bis über beide Ohren in der Arbeit, und das hilft auch.«

    Michael drehte sich um, um zu sehen, ob die Warteschlange inzwischen kürzer geworden war. Etwa hundert Menschen standen mit genervtem Gesichtsausdruck vor einem Schalter.
    Drei junge Männer betraten das Terminal. Alle drei trugen Baseballmützen; jeder der drei hatte eine schwarze Reisetasche in der Hand. Sie trugen Jeans und Turnschuhe, alle drei waren dunkelhaarig und hatten olivfarbene Gesicht er.
    Michael beobachtete sie. Er bekam nicht mehr richtig mit, was Elizabeth sagte. Die drei jungen Männer blieben stehen und stellten ihre Taschen ab. Sie hockten sich daneben und zogen die Reißverschlüsse auf.
    »Augenblick mal, Elizabeth«, sagte Michael.
    »Michael, was ist los?«
    Er gab keine Antwort, sondern beobachtete weiter.
    »Michael, red schon, verdammt noch mal! Was ist los?«
    Die drei Männer griffen gleichzeitig unter die Schirme ihrer Baseballmützen und ließen ihre Gesichter hinter schwarzen Seidenmasken verschwinden.
    »Runter! Hinwerfen! Alle runter!« brüllte Michael aus der Telefonzelle nach draußen.
    Er ließ den Hörer fallen.
    Die Männer richteten sich mit Handgranaten und Maschinenpistolen in den Händen auf.
    »Vorsicht, Waffen!« brüllte Michael. »Runter! Runter!«
    Die Attentäter warfen Handgranaten in die Menge und begannen zu schießen.
    Michael rannte wild schreiend auf sie zu, bis die Druckwelle einer Detonation ihn umwarf.
    In ihrem Büro in Washington schrie Elizabeth ins Telefon. Sie hörte Michaels Warnrufe, Explosionen und hämmernde Schüsse. Dann riß die Verbindung ab. »O Gott, Michael, Michael!«

    Sie grapschte mit zitternden Händen nach der Fernbedienung und schaltete CNN ein. Irgendeine dämliche Reportage klärte darüber auf, wie gesund Avocados sind.
    Sie lief wild auf und ab. Sie kaute an den Fingernägeln. Max saß bei ihr und hielt ihre Hand, während sie warteten. Nach zehn Minuten schickte sie ihn weg und tat etwas, das sie seit zwanzig Jahren nicht mehr getan hatte.
    Sie schloß die Augen, faltete die Hände und betete.

22
    LONDON

    Der Direktor telefonierte mit Mitchell Elliott über eine abhörsichere Verbindung aus seinem Arbeitszimmer im ersten

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