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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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wieder, Mr. Osbourne. Das ist beleidigend, und ich vertrage Beleidigungen schlecht.«
    »Wissen Sie, daß Sie beschattet werden, Mr. Osbourne?« Sie waren auf einer Landstraße unterwegs, die nach Aston Magna führte, wo Drosdow sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion niedergelassen hatte, da er nicht mehr fürchten mußte, von seinen ehemaligen KGB-Vorgesetzten liquidiert zu werden. Er war knapp einen Kopf größer als Michael und hielt sich wie viele großgewachsene Männer leicht gebückt, um kleiner zu wirken. Er ging mit auf dem Rücken gekreuzten Händen und hielt den Kopf gesenkt, als suche er einen verlorenen Wertgegenstand. Seine Hunde liefen einige Meter voraus, als wollten sie das Gelände erkunden. Michael, von Natur aus ein rascher Geher, hatte alle Mühe, mit Drosdows staksendem Gang Schritt zu halten. Er fragte sich, wie der Alte die Beschatter wahrgenommen hatte, ohne sich für seine Umgebung zu interessieren.
    »Zwei Männer«, sagte Drosdow. »Weißer Ford-Lieferwagen.«
    »Die sind mir kurz nach London aufgefallen.«
    »Weiß jemand, daß Sie mich besuchen wollten?«
    »Nein«, log Michael. »Ich bin nicht als Vertreter der CIA hier und habe die Briten nicht um Erlaubnis gefragt. Dieser Besuch ist rein privat.«
    »Sie haben sich in eine ziemlich schwierige Lage gebracht, Mr. Osbourne. Tun Sie etwas, das mir nicht gefällt, brauche ich nur meinen Führungsoffizier beim MI6 anzurufen, und Sie werden verdammt große Schwierigkeiten bekommen.«
    »Das weiß ich. Unter Kollegen bitte ich Sie natürlich um den Gefallen, das nicht zu tun.«
    »Ihr Anliegen muß ziemlich wichtig sein.«

    »Das ist es.«
    »Ich vermute, daß diese Männer ein Richtmikrofon mit großer Reichweite haben. Vielleicht sollten wir irgendwo Spazierengehen, wo sie uns nicht folgen können.«
    Sie bogen auf einen Fußweg zwischen Weideflächen mit dürrem Wintergras ab. In der Ferne ragten Hügel bis zu niedrigen Wolken hinauf. Entlang des Zauns drängte sich blökend eine kleine Schafherde zusammen. Drosdow kraulte einigen Tieren im Vorbeigehen die dicke Kopfwolle. Nach dem nächtlichen Regen war der Weg so schlammig, daß Michaels italienische Wildlederslipper schon nach wenigen Metern ruiniert waren. Er blieb kurz stehen und sah sich um. Der weiße Kastenwagen fuhr nach Morton zurück.
    »Ich glaube, wir können jetzt offen sprechen, Mr. Osbourne. Ihre Freunde haben offenbar aufgegeben.«
    Zehn Minuten lang redete nur Michael. Er ging die Liste der Attentate und Terroranschläge durch. Der Staatssekretär in Sevilla. Der Polizeipräfekt in Paris. Der BMW-Direktor in Frankfurt. Der PLO-Kommandeur in Tunis. Der israelische Geschäftsmann in London. Drosdow hörte aufmerksam zu, nickte manchmal, grunzte zwischendurch halblaut. Die Hunde jagten über die Wiese und stöberten Fasane auf.
    »Und was wollen Sie nun genau wissen?« fragte Drosdow, als Michael fertig war.
    »Ich will wissen, ob der KGB diese Anschläge verübt hat.«
    Drosdow pfiff nach seinen Hunden. »Sie haben Anerkennung verdient, Mr. Osbourne. Oh, Sie haben nicht wenige übersehen, aber Sie haben einen ausgezeichneten Anfang gemacht.«
    »Das sind also KGB-Aktionen gewesen?«
    »Ganz recht.«
    »Alle von demselben Mann ausgeführt?«
    »Gewiß.«

    »Wie heißt er?«
    »Er hat keinen Namen gehabt, Mr. Osbourne. Lediglich einen Decknamen.«
    »Welchen Decknamen?«
    Drosdow zögerte. Er war übergelaufen, hatte seinen Dienst verraten. Aber die Preisgabe von Decknamen war mit dem Bruch des Schweigegelübdes der Mafia vergleichbar.
    Schließlich sagte er: »Oktober, Mr. Osbourne. Sein Deckname ist Oktober gewesen.«
    Als die Sonne kurz durch die Wolken lugte, wurde es sofort angenehm warm. Michael knöpfte seinen Mantel auf und zündete sich eine Zigarette an. Drosdow, der seinem Beispiel folgte, rauchte mit gerunzelter Stirn, als überlege er, womit er anfangen solle. Michael hatte viel Erfahrung im Umgang mit Agenten. Er wußte, wann man drängen mußte, wann es besser war, lieber den Mund zu halten und nur zuzuhören. Drosdow konnte er nicht unter Druck setzen; Drosdow würde nur freiwillig reden.
    »Im Gegensatz zu der im Westen weitverbreiteten Ansicht sind wir keine guten Killer gewesen«, sagte Drosdow schließlich. »Oh, innerhalb der Sowjetunion haben wir höchst effizient gearbeitet. Aber außerhalb des Ostblocks, im Westen, haben wir bei ›nassen Angelegenheiten‹ ziemlich versagt.
    Nikolai Chochlow, einer unserer besten Killer, hat irgendwann

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