Der Maler
Villa, die niemand hatte haben wollen, das schönste Haus im Dorf.
Das italienische Rennrad traf in derselben Woche ein. Damit fuhr er jeden Morgen die kurvenreiche Küstenstraße entlang und über steile Bergstrecken im Inselinneren. Als die Tage länger wurden, verbrachte er mehr und mehr Zeit im Dorf. Auf dem Markt wählte er sorgfältig Oliven, Gemüse und Lamm aus. Jede Woche aß er mehrmals in der Taverne zu Mittag, immer mit einem Buch als Schutz vor Annäherungsversuchen. Manchmal kaufte er von den Jungen am Strand gekochten Seebarsch und verzehrte den Fisch allein in einer Grotte, vor der graue Seehunde spielten. Er wagte sich in den Weinladen. Anfangs trank er nur französische und italienische Weine, aber nach einiger Zeit freundete er sich mit preiswerten einheimischen Gewächsen an. Empfahl der Verkäufer ihm bessere Jahrgänge, schüttelte der Franzose den Kopf und gab die Flasche zurück.
Die Renovierung, sagte er zur Erklärung, habe seine Finanzen sehr beansprucht.
Anfangs waren seine Griechischkenntnisse sehr begrenzt, ein paar kurze Sätze, ein vager, unbestimmbarer Akzent. Aber schon nach zwei Monaten konnte er seine Einkäufe in passablem Griechisch mit dem Akzent eines Inselbewohners erledigen.
Einige Frauen aus dem Dorf machten ihm dezente Avancen, aber er ließ sich mit keiner von ihnen ein. Er hatte nur einmal Besuch: von einem Engländer, dessen Augenfarbe an Meerwasser im Winter erinnerte, und einer Mulattengöttin, die nackt sonnenbadete. Der Brite und die Göttin blieben drei Tage lang. Jeden Abend dinierten sie auf der Terrasse bis spät in die Nacht hinein.
Im Mai begann er zu malen. Anfangs konnte er den Pinsel wegen seiner vernarbten rechten Hand immer nur für ein paar Minuten halten. Als das Narbengewebe sich allmählich dehnte und nachgiebiger wurde, schaffte er es, wieder stundenlang zu arbeiten. Viele Wochen lang malte er nur Motive aus der Umgebung der Villa - den Blick aufs Meer, dichtgedrängte weiße Häuser, die Blumen auf den Hügeln, die alten Männer, die bei Wein und Oliven in der Taverne saßen. Seine Villa reflektierte das wechselnde Farbenspiel der Tageszeiten: in der Morgendämmerung ein zartes Pastellrosa, in der Abenddämmerung ein gedämpftes Sienabraun, mit dem er wochenlang geduldig experimentieren mußte, bis er es auf seiner Palette gemischt hatte.
Im August begann er die Frau zu malen.
Sie war blond, hatte strahlend blaue Augen und einen blaß leuchtenden Teint. Seine Putzfrau erzählte, er arbeite ohne Modell, nur nach ein paar Bleistiftskizzen. »Ganz klar«, erklärte sie den anderen Frauen des Dorfs, »der Franzose malt sie aus dem Gedächtnis.«
Das Gemälde war groß, ungefähr einsachtzig mal einszwanzig. Die Frau trug nur eine aufgeknöpfte weiße Bluse, die vom Sienabraun der untergehenden Sonne getönt war. Ihr schlanker Körper war auf einen kleinen Holzstuhl drapiert, auf dem sie umgekehrt saß. Eine Hand ruhte unter ihrem Kinn, in der anderen hielt sie etwas, das wie eine Pistole aussah, obwohl doch niemand eine so schöne Frau mit einer Waffe in der Hand malen würde, wie die Putzfrau sagte. Nicht einmal ein einsiedlerischer Franzose.
Im Oktober war das Porträt fertig.
Er fand dafür einen schlichten Rahmen und hängte es an die Wand mit Blick aufs Meer.
DANKSAGUNGEN
Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind ebenso wie die Personen gänzlich ein Produkt der Phantasie des Verfassers. Trotzdem verdanke ich mehreren Frauen und Männern, die den dargestellten Personen ähnlich sind, höchst wertvolle Anregungen, ohne die dieses Buch nicht entstanden wäre. Der Sachverstand ist ausschließlich ihrer; die Fehler, Vereinfachungen und dichterischen Freiheiten habe ausschließlich ich zu verantworten.
Mehrere aktive und ehemalige Angehörige amerikanischer Geheimdienste haben mir einen flüchtigen Blick hinter den Vorhang in ihre Welt gestattet, und ich möchte ihnen meinen Dank dafür ausdrücken, vor allem den Profis im CIA-Zentrum für Terrorismusbekämpfung in Langley, Virginia, die geduldig viele meiner Fragen beantwortet und zugleich ein paar Bruchstücke ihres Lebens mit mir geteilt haben.
Erlebnisberichte über die Arbeit im Weißen Haus gibt es viele, aber mehrere Mitarbeiter verschiedener Präsidenten haben mir geholfen, die Lücken durch ihre persönlichen Erinnerungen zu schließen. Manche Berichte haben mit dazu beigetragen, dieses Buch zu gestalten, andere habe ich nur zur Kenntnis genommen, aber ich bin allen
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