Der Mammutfriedhof
Boote.
Die ausgedörrten Meerespflanzen fingen sofort Feuer. Knisternd fraßen sich die Flammen durch die Boote und leckten an den geteerten Planken. Das Harz, mit dem die Schiffsrümpfe abgedichtet waren, begann zu kochen und zu brodeln. Gelbe Blasen bildeten sich aus dem Holz und platzten auf. Stichflammen züngelten über die Bordwände. Prasselnd schlugen die Flammen an den aufgestellten Rudern hoch und erreichten schließlich auch die bemalten Köpfe der Drachen an den Vorderteilen der Boote. Es sah aus, als ob die Ungeheuer Feuer spien. Die Luft flimmerte in der Hitze des Brandes.
Der Lärm der Schlacht zwischen den Sasgen und den Fischern drang bis zu den äußersten Stegen der Stadt, aber das Getöse hatte sich verändert. Das Gebrüll der Angreifer war allmählich verstummt. Wahrscheinlich hatte der Wächter der Boote auf seiner Flucht seine Stammesbrüder erreicht. Vermutlich hatte er sie inzwischen gewarnt, und sie wussten, dass ihre Boote unbewacht waren. Mythor musste sich beeilen.
Er schwang sich in das erste der fünf Boote, zog ein Ruder aus der Halterung und sprang zurück auf den Steg. Dann legte er das Blatt seitlich gegen die Bordwand, stemmte sich mit aller Kraft dagegen und drückte das Boot weg vom Steg. Genauso verfuhr er mit den restlichen vier Booten.
Jetzt, da die Boote frei waren, erfasste sie der leichte Wind und trieb sie weiter von der Pfahlstadt weg. Dazu schien hier eine schwache Strömung zu wirken, mit der die sasgischen Boote auf das offene Meer getrieben wurden.
»Umso besser«, dachte Mythor, nahm Anlauf und schnellte sich vom Steg in das erste der Boote. Er zog ein weiteres Ruder aus der Halterung, legte beide in die Dollen und ließ sie zu Wasser.
Normalerweise wurden die Boote von vierundzwanzig Ruderern bewegt, zwölf auf jeder Seite. Für einen einzelnen Mann war es schwer, ein solches Boot in Bewegung zu setzen. Jetzt hätte Mythor Nottr und Sadagar gut brauchen können. Das Glück schien auf seiner Seite zu sein, denn noch bevor Mythor einen einzigen Ruderschlag getan hatte, hatten ihn der Wind und die Strömung bereits von Urguth weggetrieben.
Immer wieder beugte sich Mythor vor und tauchte die Ruderblätter ins Wasser. Um besseren Halt zu haben, stemmte er sich mit beiden Füßen gegen die Sitzbank, die vor ihm verlief.
Die restlichen acht Boote, die noch am Steg lagen, brannten inzwischen lichterloh. Zum Teil waren die Bordwände schon aufgeplatzt, und Meerwasser floss zischend in die Glut. Weiße Wasserdampfwolken quollen auf, stiegen in den Morgenhimmel und vermischten sich mit dem schwarzen Rauch des brennenden Harzes.
Die acht Schiffe waren in kurzer Zeit so vollkommen zerstört, dass mit ihnen niemals mehr ein Sasge ein schlafendes Dorf überfallen würde. Die Flammen loderten mehrere Mannslängen hoch und waren ein weithin sichtbares Signal für beide an dieser Schlacht beteiligten Parteien.
Schon längst hatten die Sasgen begriffen, dass sie es mit einem neuen, unerwarteten Gegner zu tun hatten. Die Alarmrufe ihres Bootswächters und der helle Schein ihrer brennenden Schiffe hatten sie aus ihrem Wüten aufgeschreckt. Möglicherweise hatten sich auch die beiden Krieger wieder erholt, die Mythor zu Beginn bewusstlos geschlagen hatte.
Auch deren Bericht würde die Angreifer verunsichert haben.
So plötzlich die Sasgen bei Morgengrauen über die Pfahlstadt hereingebrochen waren, so plötzlich wandten sie sich auch wieder von den Bewohnern Urguths ab. Sie hasteten zurück. Dorthin, wo sie ihre Boote angebunden hatten.
Die Hitze der brennenden Boote strahlte zu Mythor herüber und brannte auf seiner Haut. Auf seiner Stirn bildeten sich Schweißperlen. Sie liefen über seine Wangen und zogen helle Spuren durch sein verrußtes Gesicht.
Die Enden der Ruder brannten in Mythors Händen. Vor allem machte ihm die linke Hand zu schaffen, die er bei der Rettung der Frau und des kleinen Kindes verletzt hatte.
Doch Mythor achtete nicht auf seine Schmerzen. Seine ganze Kraft konzentrierte er auf die Ruder. Gleichmäßig und rhythmisch ließ er die Bewegungen ablaufen.
Je weiter sich die Boote von dem Steg entfernten, umso stärker wurde die Strömung, und eine umso günstigere Angriffsfläche boten die Bordwände dem gleichmäßigen Landwind. Mythor machte ständig mehr Fahrt und unterstützte die Flucht mit kräftigen Ruderschlägen.
Den Bewohnern der Pfahlstadt war die plötzliche Flucht der Angreifer wie ein Wunder erschienen.
Der Rückzug der Sasgen erfüllte
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