Der Mann auf dem Balkon
Beck.
»Ein paar Kinder. Sie alarmierten einen Streifenwagen, der den Ringvägen entlangfuhr. Sie war noch warm, als die Streife ankam. Seit der Tat kann nicht viel Zeit vergangen sein.«
Martin Beck sah sich um. Das Auto vom Labor fuhr vor, dicht dahinter das des Arztes.
Von der Senke aus, in der das tote Kind lag, konnte man die Gartenkolonie nicht sehen, die ungefähr fünfzig Meter westlich hinter einem Hügel begann. Außer den Baumkronen sah man die obersten Wohnungen eines Wohnblocks in der Tantogatan, aber die Eisenbahnlinie, die die Straße vom Park trennte, war hinter Grün verborgen.
»Er hätte sich in der ganzen Stadt tatsächlich keinen besseren Platz aussuchen können«, stellte Martin Beck fest.
»Keinen schlimmeren meinst du wohl«, verbesserte Kollberg.
Er hatte recht. Selbst wenn der Mann, der die Kleine umgebracht hatte, sich noch immer in der Nähe aufhielt; waren die Voraussetzungen, aus dem Park zu entkommen, recht gut. Der Tantolunden ist der größte Park der Innenstadt. An den Park grenzt eine Kleingartenkolonie, dann schließen sich entlang des ganzen Strandes bis hin nach Ärstaviken eine Reihe von kleineren Bootswerften, Lagerhäusern, Werkstätten, Schrottplätzen und verschiedene Kneipen an. Zwischen der Wollmar Yxkullsgatan, die vom Ringvägen her das Gebiet bis zum Strand hin durchschneidet, und der Hornsgatan liegt das Pflegeheim Högalid, eine Anstalt für Alkoholiker, eine Anzahl von großen, unregelmäßig verteilten Gebäuden. Um die Anstalt herum stehen eine Reihe von Lagerhäusern und Holzschuppen. Zwischen der Anstalt und Zinkensdamms Sportplatz liegt noch eine zweite Kleingartenkolonie. Ein Viadukt über die Eisenbahngleise verbindet den südlichen Teil des Parks mit der Tantogatan, wo fünf riesige Mietshäuser auf dem felsigen Untergrund der Küste errichtet sind.
Weiter entfernt, an der Ecke der Ringvägen, liegt das Männerwohnheim Tanto, ein paar lange Reihen niedriger Holzbaracken.
Martin Beck überdachte die Situation und beurteilte sie als ziemlich hoffnungslos. Er bezweifelte, den Schuldigen hier und jetzt fassen zu können. Erstens hatten sie nicht einmal seine Personalbeschreibung, und zweitens hatte er aller Wahrscheinlichkeit nach rechtzeitig aus dem Park verschwinden können. Drittens hatten das Männerwohnheim und das Pflegeheim für Alkoholiker so viele männliche Insassen, daß allein diese Vernehmungen Tage dauern würden.
Die nächsten Stunden gaben ihm recht. Aus der ersten Untersuchung des Arztes ging lediglich hervor, daß das Mädchen erwürgt worden war, vermutlich auch vergewaltigt, und daß der Tod erst vor etwa einer Stunde eingetreten war.
Polizeihunde waren sofort nach Martin Beck und Kollberg eingetroffen, aber die Spur, die die Hunde aufnahmen, führte direkt aus dem Park heraus zur Wollmar Yxkullsgatan. Die Zivilfahnder der Schutzpolizei waren dabei, mögliche Zeugen zu verhören, bis jetzt ohne positives Ergebnis. Sie hatten mit einer Anzahl von Menschen im Park und in der Kleingartenkolonie gesprochen, aber keiner hatte etwas gesehen oder gehört, was mit dem Mord in Zusammenhang zu bringen war.
Es war zehn Minuten vor fünf. Auf dem Bürgersteig des Ringvägen stand eine Anzahl Menschen und betrachtete neugierig die Polizei bei ihrer, wie es schien, planlosen Arbeit. Reporter und Fotografen waren gekommen. Einige waren bereits wieder in ihre Redaktionen zurückgekehrt, um ihre Leser mit detaillierten Beschreibungen des zweiten Mädchenmordes zu erschrecken, der innerhalb von drei Tagen in Stockholm von einem Wahnsinnigen begangen worden war, der noch immer frei herumlief. Martin Beck sah Kollbergs gewichtiges Hinterteil in der Türöffnung eines Streifenwagens, der auf dem Kiesweg dicht am Ringvägen parkte. Er machte sich aus einer Gruppe von Journalisten frei und ging zu Kollberg hinüber, der gebückt in ein Mikrophon sprach. Er wartete, bis Kollberg fertig war, und gab ihm einen leichten Klaps auf die Kehrseite. Kollberg kam aus dem Auto heraus und richtete sich auf.
»Weißt du, ob schon einer mit den Eltern des Mädchens gesprochen hat?« fragte Martin Beck.
»Ist bereits geschehen«, antwortete Kollberg. »Das bleibt uns diesmal erspart.«
»Ich möchte mit den Kindern sprechen, die sie gefunden haben. Sie sollen in der Tantogatan wohnen.«
»Okay, ich bleibe«, sagte Kollberg.
»Gut. Bis dann«, sagte Martin Beck und verabschiedete sich.
Die beiden Jungen wohnten in einem der großen, U-förmig gebauten Mietshäuser
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