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Der Mann auf dem Balkon

Der Mann auf dem Balkon

Titel: Der Mann auf dem Balkon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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unter der Eisenbahnbrücke hindurch und zu dem Hochhaus hinauf, dorthin, wo einmal die alte Zuckerfabrik gestanden hatte. Einige Kinder spielten in den Anlagen, die das Haus umgaben, aber im Vergleich zu früher sehr viel weniger.
    Sie parkten den Wagen und fuhren mit dem Fahrstuhl zum siebten Stock hinauf. Sie klingelten, aber niemand öffnete. Nachdem sie eine Weile gewartet hatten, klingelte Martin Beck an der Tür nebenan. Eine Frau machte die Tür einen Spalt breit auf.
    Hinter ihr war ein fünf bis sechs Jahre altes Mädchen zu sehen.
    »Polizei«, sagte Kollberg beruhigend und zeigte seinen Ausweis.
    »Oh«, sagte die Frau.
    »Wissen Sie, ob die Familie Oskarsson zu Hause ist?« fragte Martin Beck.
    »Nein, sie sind heute morgen abgefahren. Irgendwohin zu Verwandten. Das heißt, die Frau und die Kinder.«
    »Ach, dann entschuldigen Sie bitte…«
    »Leider kann das nicht jeder«, sagte die Frau. »Ich meine, verreisen.«
    »Wissen Sie, wohin sie gefahren sind?« fragte Kollberg.
    »Nein, aber sie kommen am Freitagmorgen zurück. Dann fahren sie gleich alle zusammen fort.« Und erklärend fügte sie hinzu: »Der Urlaub fängt dann nämlich an.«
    »Der Mann ist also zu Hause?«
    »Ja. Vielleicht können Sie ihn heute abend anrufen.«
    »Ja«, sagte Martin Beck. »Danke.«
    Das kleine Mädchen wurde ungeduldig und zerrte am Rock Frau.
    »Das Kind wird quengelig«, sagte sie. »Man kann es aber nicht rauslassen. Oder was meinen Sie?«
    »Besser nicht.«
    »Aber einige müssen ja raus. Und es gibt Kinder, die nicht gehorchen.«
    »Ja, leider.«
    Sie glitten mit dem Fahrstuhl wieder nach unten, schweigend. Schweigend führen sie in nördlicher Richtung durch die Stadt, sich ihrer Ohnmacht und ihrer zwiespältigen Einstellung zu dem Gemeinwesen, das zu schützen ihre Aufgabe war, wohl bewußt.
    Sie bogen ab zum Vanadislunden und wurden von einem uniformierten Polizisten gegrüßt, der entweder sie oder das Auto wiedererkannte. Im Park war niemand zu sehen. Nur einige Kinder, die trotz allem hier spielten. Und die unermüdlichen Neugierigen.
    Als sie zurück zur Kreuzung Odengatan-Sveavägen kamen, sagte Kollberg: »Ich habe Durst.«
    Martin Beck nickte. Sie parkten, gingen in das Restaurant Metropol und tranken jeder ein Glas Fruchtsaft.
    Außer ihnen saßen noch zwei Männer an der Theke. Beide hatten ihre Jacken auf Hocker neben sich gelegt. Dieser Bruch mit der guten Sitte zeigte, wie warm es war. Sie unterhielten sich bei einem Whisky-Soda.
    »Das kommt nur daher, weil es keine richtige Strafe mehr gibt«, meinte der jüngere.
    »Öffentlich lynchen, das wäre richtig.«
    »Ja«, stimmte der ältere zu.
    »Es ist ein Jammer, daß man so was sagen muß, aber richtig wäre es.«
    Kollberg öffnete den Mund zu einer Antwort, besann sich aber und trank statt dessen seinen Fruchtsaft in einem Zug aus.
    Martin Beck bekam an diesem Tage noch einmal eine ähnliche Meinung zu hören. In einem Tabakgeschäft, in dem er ein Päckchen Florida-Zigaretten kaufen wollte, sagte der Kunde vor ihm: »… und wissen Sie, was sie tun müßten, wenn sie diesen verdammten Kerl kriegen? Sie sollten ihn öffentlich hinrichten. Man sollte es im Fernsehen zeigen, und sie sollten es schön langsam machen, nach und nach, mehrere Tage lang.«
    Als der Mann gegangen war, fragte Martin Beck: »Wer war das?«
    »Skog heißt er«, sagte der Tabakhändler, »er hat eine Radioreparaturwerkstatt. Netter Mensch.«
    Auf dem Rückweg zum Büro überlegte Martin Beck, wie lange es schon her war, daß man Dieben die Hände abschlug. Gar nicht so lange. Und dennoch gab es auch damals Leute, die stahlen. Viele.
    Am Abend rief er Bo Oskarssons Vater an.
    .. »Ich habe Ingrid und die Kinder zu meinen Schwiegereltern nach Öland geschickt. Nein, dort können Sie nicht anrufen.«
    »Und wann kommen sie nach Hause?«
    »Freitagvormittag. Am Abend setzen wir uns ins Auto und fahren ins Ausland. Da wird sich der Teufel wohl nicht hintrauen.« »Nein«, sagte Martin Beck müde. Dies alles geschah am Dienstag, dem 13. Juni. Am Mittwoch passierte nichts weiter. Es wurde nur wärmer.

13
    Gleich nach elf Uhr am Donnerstag aber geschah etwas. Martin Beck stand in seiner üblichen Stellung, den rechten Ellbogen auf den Ak-tenschrank gestützt, und hörte wohl zum fünfzigstenmal an diesem Vormittag das Telefon klingeln. Gunvald Larsson nahm den Hörer ab.
    »Ja, Larsson. - Was? - Ich komme sofort nach unten!«
    Er stand auf und sagte hastig zu Martin Beck: »Das war

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