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Der Mann auf dem Balkon

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Titel: Der Mann auf dem Balkon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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ging.
    »Du läßt sie gehen?« fragte Gunvald Larsson erstaunt.
    »Ja«, sagte Martin Beck. Wenig später zuckte er die Schulter und fragte: »Wollen wir nun den ganzen Kram hier untersuchen?«

15
    Um halb sechs Uhr, fünf Stunden später also, hatte Rolf Evert Lundgren noch immer nicht mehr ausgesagt, als daß er Rolf Evert Lundgren hieß.
    Sie hatten um ihn herumgestanden, sie hatten ihm gegenübergesessen, er hatte ihre Zigaretten geraucht, das Tonband hatte gesummt und gesummt, und er hieß immer noch Rolf Evert Lundgren, was ja übrigens auch auf dem Führerschein stand.
    Sie hatten gefragt und gefragt. Martin Beck und Melander und Gunvald Larsson und Kollberg und Rönn. Selbst Hammar, nunmehr Dienststellenleiter, war hereingekommen und hatte Lundgren mit einigen wohlgewählten Worten angesprochen. Er hieß noch immer Rolf Evert Lundgren, was ja übrigens auch auf dem Führerschein stand. Nur die Tatsache, daß Rönn nieste, ohne das Taschentuch vor den Mund zu halten, schien ihn zu stören.
    Hätte es nur ihn selbst betroffen, so hätte er gern bei allen polizeilichen Verhören, vor jedem Gericht und sogar die ganze Strafzeit hindurch leugnen dürfen. In dem Zimmer im ersten Stock des Hinterhauses hatte man nicht nur zwei Maschinenpistolen und eine Smith and Wessen 38 Spezial gefunden, sondern auch vieles andere, zum Beispiel einen Schlagring, das bekannte rote Taschentuch, zweitausend Preludintabletten und mehrere gestohlene Fotoapparate, was endgültig bewies, daß er der Räuber war. Aber sie wollten mehr von ihm wissen.
    Um sechs Uhr trank Rolf Evert Lundgren gemeinsam mit Kommissar Martin Beck von der Reichsmordkommission und dem Ersten Kriminalassistenten Fredrik Melander von der Stockholmer Polizei, Abteilung für Gewaltverbrechen, Kaffee. Alle drei nahmen Stück Zucker, und alle drei schlürften gleich düster und ermattet aus ihren Pappbechern.
    »Wenn es sich nur um Sie drehen würde, könnten wir für heut Schluß machen und nach Hause gehen«, sagte Martin Beck.
    »Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
    »Entschuldigen Sie, aber das Verrückte ist, daß…«
    »Zählt nicht auf mich.«
    Martin Beck antwortete nicht, saß nur still da und sah den Festgenommenen an. Melander schwieg ebenfalls.
    Viertel nach sechs trank Martin Beck seinen kaltgewordenen Kaffee aus, knüllte den Becher zusammen und warf ihn in den Papierkorb.
    Sie hatten es mit Überredung versucht, mit Freundlichkeit, mit Strenge, mit Logik, mit Überrumpelung. Sie hatten ihm vorgeschlagen, ihm einen Anwalt zu besorgen und zehnmal gefragt, ob er etwas essen wolle. Sie hatten es strenggenommen auf alle Arten versucht -ausgenommen mit Schlägen. Mehrere Male war Gunvald Larsson dicht daran gewesen, zuzuschlagen. Da er aber wußte, wie unzweckmäßig solch Vorgehen zu Beginn eines Verhörs ist, hatte er von der Anwendung dieser verbotenen Methode abgesehen, vor allem, da Kommissare und der Dienststellenleiter im Raum ein und aus gingen. Zum Schluß war Gunvald Larsson so gereizt, daß er das Zimmer verlassen hatte.
    Um halb sieben ging Melander nach Hause. Rönn setzte sich an seinen Platz, und Rolf Evert Lundgren sagte: »Tun Sie das schmutzige Taschentuch weg. Sie stecken mich ja an.«
    Rönn, der ein mittelmäßiger Polizist mit durchschnittlicher Phantasie und normalem Humor war, erwog einen Augenblick lang die Möglichkeit, auf diese Art als der erste Verhörleiter in die Geschichte der Kriminalpolizei einzugehen, der ein Geständnis hervorgeniest hatte. Doch dann ließ er den Gedanken wieder fallen.
    Normalerweise würde man den Festgenommenen die Sache überschlafen lassen, dachte Martin Beck. Aber konnte man es sich wirklich erlauben, eine ganze Nacht zu vergeuden? Der Mann in grünem Hemd und Khakihosen wirkte nicht besonders schläfrig und hatte sich aus noch kein Ruhebedürfnis geäußert. Nun, früher oder später würden sie ihn auf jeden Fall schlafen lassen müssen.
    »Diese Dame da, die heute vormittag hierherkam…« sagte Rönn einleitend - und nieste.
    »Diese verdammte Nutte«, murmelte der Festgenommene und versank wiederum in mißmutiges Schweigen. Nach einer Weile fuhr er fort: »Sie liebt mich, sagt sie. Sie sagt, daß ich sie brauche.«
    Martin Beck nickte. Nach einigen Minuten kam die Fortsetzung.
    »Ich liebe sie aber nicht. Ich brauche sie ungefähr so nötig wie Läuse.« Setz ihm nicht zu, dachte Martin Beck, sag nichts.
    »Ich mag saubere, nette Mädchen«, sagte der Festgenommene. »Am liebsten eine feste

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