Der Mann auf dem Balkon
mehr an?«
»Nei - nein.«
»Ich meine, hatten Sie nicht etwas darunter? Unter dem Kleid, meine ich.«
»Aber ja! Ich hatte selbstverständlich Unterwäsche an.«
»So. Und was für Unterwäsche?«
»Was für Unterwäsche?«
»Genau das.«
»Ja, ich hatte natürlich, was… ja, was man so darunter hat.«
»Und was pflegen Sie gewöhnlich darunter zu haben?«
»Na, einen Büstenhalter natürlich. Und… ja, was glauben Sie sonst noch?«
»Ich glaube gar nichts. Habe keine vorgefaßte Meinung. Ich frage nur.«
»Und einen Schlüpfer natürlich.«
»So. Und was für eine Art von Schlüpfer?«
»Was für eine Art? Ich verstehe nicht, was Sie meinen. Ich hatte einen Schlüpfer unter dem Kleid.«
»Einen Slip?«
»Gewiß, aber entschuldigen Sie…«
»Und wie sah dieser Slip aus? Welche Farbe: rot oder schwarz oder blau oder vielleicht Tarnfarbe?«
»Es war…«
»Ja?«
»Ein weißer Netzslip. Ja, Papa, ich frage ihn danach. Warum in aller Welt fragen Sie das?«
»Ich kontrolliere eine Zeugenaussage.«
»Zeugenaussage?«
»Genau das. Auf Wiederhören.«
Kollberg fuhr zu einem Haus in Gamla Stan, parkte am Storkyrko-bringen und arbeitete sich eine enggewendelte Steintreppe hinauf. Oben sah er sich nach einer Klingel um, die er nicht fand, und ballerte seiner Gewohnheit treu ohrenbetäubend an die Tür. »Nur herein«, rief eine Frau.
Kollberg folgte der Aufforderung.
»Jesses, was für einer sind Sie denn?«
»Polizei«, sagte er beruhigend.
»Ich muß schon sagen, daß die Polizei eine besondere Fähigkeit hat, zu…« »Sind Sie Lisbeth Hedvig Maria Karlström?« fragte Kollberg und sah demonstrativ auf einen Zettel.
»Gewiß. Ist es wegen gestern?«
Kollberg nickte und sah sich um. Das Zimmer war einfach, aber gemütlich. Lisbeth Hedvig Maria Karlström trug eine blaugestreifte Pyjamajacke, die gerade lang genug war, um zu zeigen, daß sie keine Höschen darunter hatte. Sie war offenbar eben erst aufgestanden und nun dabei, Kaffee zu kochen. Sie rührte mit einer Gabel im Filter, damit die Flüssigkeit schneller durchlaufen sollte.
»Ich bin gerade aufgestanden und beim Kaffeekochen«, sagte sie.
»Soso.«
»Ich dachte, es sei meine Nachbarin. Die ballert sonst um diese Zeit an die Tür. Wollen Sie auch?«
»Was denn?«
»Kaffee.«
»Ja«, sagte Kollberg.
»Setzen Sie sich erst einmal.«
»Wohin?«
Sie zeigte mit der Gabel auf einen lederbezogenen Puff neben dem ungemachten Bett. Er ließ sich zögernd nieder. Sie stellte die Kaffeekanne und zwei Tassen auf ein Tablett, stieß mit dem linken Knie ein niedriges Serviertischchen heran, stellte das Tablett darauf und setzte sich aufs Bett. Sie kreuzte die Beine im Schneidersitz, wobei sie allerhand herzeigte. Ihre Anatomie schien fehlerlos zu sein.
»Bitte schön«, sagte sie.
»Danke«, sagte Kollberg und blickte auf ihre Füße.
Er war ein empfindsamer Mensch, und ihm war mehr als unbehaglich zumute. Sie erinnerte ihn stark an irgend jemanden, vermutlich an seine Frau.
Sie sah ihn nachdenklich an und fragte: »Soll ich mir etwas mehr anziehen?«
»Das könnte nicht schaden«, brummte Kollberg.
Sie stand sofort auf, ging zum Kleiderschrank, nahm eine braune Manchesterhose heraus und zog sie an. Dann knöpfte sie die Pyjamajacke auf und zog sie aus. Einen Augenblick lang stand sie mit bloßem Oberkörper da; daß sie ihm den Rücken zuwandte, machte die Sache kaum besser. Nach kurzem Zögern streifte sie sich einen gestrickten Pulli über.
»So ist es nur so scheußlich warm«, erklärte sie. Er nahm einen Schluck aus seiner Tasse.
»Was wollen Sie wissen?« fragte sie.
Er trank noch einen Schluck. »Gut«, sagte er.
»Es ist ja nur, daß ich nichts weiß. Nicht das geringste. Das war eine scheußliche Geschichte, das mit diesem Simonsson meine ich.«
»Er heißt Rolf Evert Lundgren«, sagte Kollberg.
»So, auch das noch. Ich bin mir darüber klar, daß es den Anschein hat… Ich meine, daß ich in einem mehr als unvorteilhaften Licht dastehe, Sie verstehen schon. Aber dagegen kann ich nichts machen, jetzt nicht mehr.« Sie sah sich unglücklich um.
»Sie wollen vielleicht rauchen«, sagte sie dann. »Ich habe leider keine Zigaretten. Ich rauche nicht.«
»Ich auch nicht«, sagte Kollberg.
»So. Ja, ob unvorteilhaft oder nicht, ich kann nur sagen, wie es war. Ich hab ihn um neun Uhr im Vanadisbad kennengelernt, und dann bin ich mit zu ihm nach Hause gegangen. Ich weiß überhaupt nichts.«
»Sie wissen vermutlich etwas,
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